Holz statt Stahlbeton - wie sich Bauen in Rheinland-Pfalz ändert

"Jedes vierte Einfamilienhaus ist ein Holzhaus"

Holz statt Stahlbeton - wie sich Bauen in Rheinland-Pfalz ändert

Mainz/Ingelheim (dpa/lrs) - Die Gänge mit ihren Holzbalken stehen voller Kisten, der Umzug ist in vollem Gange. Schon bald werden Teile der Verwaltung des Kreises Mainz-Bingen in Ingelheim in einen rund 43 Millionen Euro teuren Neubau ziehen - einen der besonderen Art. Der viergeschossige Komplex mit einer Nutzfläche von rund 5000 Quadratmetern für mehr als 300 Beschäftigte hat eine Holzfassade und ist auch im Inneren zu großen Teilen aus Holz, nur Tiefgarage und Treppenhaus sind aus Beton. Der Kreis hat sich für den Baustoff Holz in einer Zeit entschieden, in der dieser immer beliebter wird - und immer mehr damit möglich wird.

Für den Neubau in Ingelheim, bei dem auch mit Birke und Weißtanne gearbeitet wurde, sind etwa 810 Holzstützen verwendet worden, verbaut wurden etwa 2200 Quadratmeter an Holzdecken. Tragende Konstruktionen wie Stützen sind aus Laubholz, Decken aus Nadelholz, die Holzfassade setzt sich aus 400 Elementen zusammen - modulares Bauen, ein weiterer Trend. Durch den hohen Energiestandard des Neubaus lassen sich laut Kreisverwaltung fast 200 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, damit solle ein Zeichen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz gesetzt werden.

Runde 20 Kilometer südlich von Ingelheim steht in Wörrstadt schon seit 15 Jahren die Zentrale des Windkraft-Projektentwicklers Juwi mit ihrer Holzfassade. Sie wurde 2008 mit dem Deutschen Klimaschutzpreis ausgezeichnet. Der Bau sei eine «Pionierleistung» gewesen, sagt Hannsjörg Pohlmeyer, früher Forstamtsleiter und mittlerweile in Vollzeit für das Holzbau-Cluster Rheinland-Pfalz tätig. Der Juwi-Bau sei damals nicht angemessen wahrgenommen worden, sagt Pohlmeyer. Inzwischen hat sich viel getan.

Unter den Einfamilienhäusern in Rheinland-Pfalz ist derzeit schon etwa jedes Vierte ein Holzhaus, sagt Pohlmeyer. Bei den meisten sehe man das nur nicht, weil die Fassade verputzt sei. Er verweist auf den Trend zu modularem Bau mit zu einem hohen Grad vorgefertigten Elementen, oft schon samt Dämmung, Installation und teils auch Fenstern. «Das ist ganz stark im Kommen», sagt Pohlmeyer. Dazu trügen die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung bei. Damit beim Zusammensetzen von Elementen auf der Baustelle alles maßgeschneidert passe, brauche es etwa exakte dreidimensionale Aufnahmen.

Auch für Gerd Loskant, früherer Forstamtsleiter in Boppard und nun Vorsitzender des Landesbeirats Holz Rheinland-Pfalz, geht der Trend Richtung Holz, teils im Mix mit anderen Baustoffen - auch wegen so manchem Vorteil von Holz. Der trockene Holzbau gehe schneller als der «nasse» mit Beton. Holzkomplexe seien leichter als konventionelle, so könne am Fundament gespart werden, erklärt Pohlmeyer. Loskant verweist auf die bei Holzbauten dünneren Wände, es brauche weniger Platz. Und im Winter könne durchgängig gearbeitet werden, Beton trockne schlechter aus, besonders bei niedrigen Temperaturen.

Preislich spreche ebenfalls wenig gegen Holz - vorausgesetzt, dass richtig geplant werde, sagt Pohlmeyer. Holzbauten seien zwar zwischen fünf und acht Prozent teurer als herkömmliche Massivgebäude. Studien zeigten aber, dass mit einer von Anfang an auf Holz ausgerichteten Vorbereitung und unter Ausnutzung aller Vorteile einer Vorfertigung von Elementen die Preise am Ende etwa gleich seien - bei größerer Flexibilität für spätere Umbauen. Hinzu kommt Loskant zufolge ein hoher Dämmwert bei Holz und die im Vergleich zur Herstellung von Beton geringere CO2-Belastung.

Den Brandschutz sieht Loskant nicht als Problem. Holz brenne nicht schnell, und bei Stahlbetonbauten habe man wegen des sich bei Hitze stark verformenden Stahls ganz andere Probleme bei Bränden. Auch den Schutz vor Feuchtigkeit hält Loskant für machbar. Holz vertrage an sich Nässe, Wasser dürfe sich nur nicht festsetzen. Das müsse beachtet werden - und: Holz dürfe im Erdbereich nicht direkt an oder auf Beton gesetzt werden, denn Beton sei immer feucht. Dann könnten im Holz Pilze entstehen.

Zur Wahrheit gehört laut Pohlmeyer, dass eine außenliegende Oberfläche aus Holz mehr Pflege braucht. Die Witterung wirke nicht gleichmäßig auf eine Fassade ein. Eine spezielle Lasur könne helfen und die Fassade gleichmäßig verwittert aussehen lassen. Ob man damit arbeite, sei letztlich Geschmackssache.

Für die beiden Experten spielt Holz auch bei der Nachverdichtung eine große Rolle. Für Aufstockungen von Gebäuden um ein oder zwei Geschosse komme aus statischen Gründen letztlich nur Holz infrage. Es könne viel einfacher in zweiter Reihe gebaut werden, Elemente aus Holz könnten problemloser über eine erste Gebäudereihe gehievt werden, sagt Loskant. Straßen müssten kürzer gesperrt werden.

Pohlmeyer verweist auf die Vorteile des «seriellen Sanierens» mit Holz. Bei einer Grundschulen im rheinhessischen Essenheim etwa habe so ein Abriss vermieden werden können. Der hätte jahrelangen Lärm und Schülern ein Übergangsquartier bis zur Fertigstellung eines Neubaus gebracht. Nun werde das Gebäude mit Holzelementen auf Vordermann gebracht, viele Arbeitsschritte seien bei laufendem Betrieb möglich.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Rheinland-Pfalz befürwortet das Nutzen von Holz beim Bauen. Wichtig sei, dass es aus «verantwortlicher Produktion» komme. «Wir müssen aber aufpassen, dass wir die ökologische Tragfähigkeit unserer Wälder nicht gefährden», sagte die Landesvorsitzende Sabine Yacoub. Es brauche auch nutzungsfreie Wildnisflächen, zudem brauche es im Wald bleibendes Totholz. «Und wir sollten nicht durch Holzimporte den Raubbau in manch anderen Ländern befördern.»

Ob Neubau, Sanierung oder Nachverdichtung - bislang stand im Bau klar Nadelholz im Fokus. Doch gerade Nadelbäume haben mit der Trockenheit oder Borkenkäfern zu kämpfen. Entsprechend werde künftig mehr auf Laubholz gesetzt, sagt Pohlmeyer. Das hat aber Tücken. Weil Nadelhölzer recht gerade gewachsen seien und von der Qualität eher homogen, ließen sie sich einfach bearbeiten. Bei Laubholz sei etwa ein Drittel als Kronenholz unbrauchbar, der Stamm habe unterschiedliche Qualitäten. Das mache Laubholz teurer, dafür habe es statische Vorteile, sei druckfester.

Loskant sieht etwa bei der Buche Potenzial für den Gewerbebau, weil sie höhere Beanspruchungen erlaube. Gleichzeitig sei die Buche feuchteempfindlich, müsse vor dem Einbau sehr gut getrocknet werden, um nicht aufzuquillen. Es braucht also Fach- und Detailwissen. «Wir haben in der Vergangenheit zu wenig mit Laubholz gearbeitet und zu wenig geforscht», sagt Loskant. Entsprechend fehle es an Wissen im Umgang mit Laubholz im Bau. Mittlerweile gebe es wieder Forschungsstätten, die sich dami beschäftigten - etwa das Holzkompetenzzentrum an der Hochschule Trier oder das Referat für Holzbau im Fachbereich Architektur der Rheinland-Pfälzischen Technischen Uni Kaiserslautern-Landau. «Das ist ein entscheidender Fortschritt, den beobachten wir deutschlandweit», sagt Loskant.

Foto: Jörg Halisch/dpa

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Datum: 17.08.2023
Rubrik: Gesellschaft
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