Wenn Zuckerrüben die Süße fehlt - Rübenbauern unter Druck

Die Schilf-Glasflügelzikade überträgt Krankheiten, die zu Ertragseinbußen führt

Wenn Zuckerrüben die Süße fehlt - Rübenbauern unter Druck

Friedrichsdorf/Wabern/Offstein (dpa) - Wer im Herbst durch Hessen und Rheinland-Pfalz fährt, kann vielerorts auf den Feldern riesige Berge aus graubraunen Knollen sehen. Die Zuckerrüben als wohl süßeste Feldfrüchte werden in zahlreichen Regionen angebaut und gelten als «Dickwurz» oder «Rungelroiwe» auch als hessisches Kulturgut. Den Landwirten bietet ihr Anbau in guten Jahren ein ordentliches Zubrot. Doch wie bei vielen Agrarerzeugnissen bestimmen neben Witterung und Bodenbeschaffenheit auch Ereignisse, die sich weit weg von der heimischen Scholle abspielen, den Saisonverlauf mit. 

Vor allem der seit bald drei Jahren anhaltende Ukraine-Krieg führt zu starken Schwankungen im Agrarsektor und auch auf dem Zuckermarkt. Um die vom Krieg gezeichneten Ukraine zu stützen, werden ihr Exporte auch von Zuckerrüben in die EU ermöglicht, was zeitweise massiv auf die Preise drückte. Derzeit liegt der Preis für eine Tonne Zucker um 500 Euro, das ist deutlich weniger als vor einem Jahr - und das trotz einer mauen Zuckerernte, die unter normalen Umständen eigentlich Preissteigerungen nach sich ziehen würde, wie der Landwirt und promovierte Agrarwissenschaftler Matthias Mehl sagt. 

Zuckergehalt entscheidend

Auf seinem Hof im Frankfurter Stadtteil Nieder-Erlenbach baut Mehl selbst Zuckerrüben an. Wie gut eine Saison verlaufen ist, bemisst sich nach seinen Worten vor allem am Zuckergehalt der Rüben, der im Schnitt bei etwa 18 Prozent liegen sollte. In diesem Jahr seien es aber nur etwa 16 Prozent, sodass mehr Rüben für die gleiche Zuckerausbeute benötigt werden.

Eine große Rolle spielt das Thema Zuckergehalt auch beim aktuell größten Sorgenthema der hessischen Zuckerrübenbauern, nämlich der Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade. Das Insekt überträgt zwei durch Bakterien ausgelöste Krankheiten, die zu massiven Ertragseinbußen führen können. Auch der Kartoffelanbau und andere Gemüsekulturen sind betroffen. Bei den Krankheiten handelt es sich um das «Syndrome Basses Richesses» - zu Deutsch etwa «Syndrom der niedrigen Zuckergehalte» - sowie Stolbur oder auch Gummirübenkrankheit, die die eigentlich festen Feldfrüchte biegsam macht. 

Probleme bei Bekämpfung von Schädlingen

Neben Südhessen und Teilen von Rheinland-Pfalz sind bereits auch einige Anbauflächen in Mittel- und Nordhessen betroffen, und mit einer weiteren Ausbreitung der Zikade und damit der Krankheiten müsse gerechnet werden, sagt Mehl. Um gegen die Schädlinge vorzugehen, habe man «praktisch alles ausprobiert, was man sich nur vorstellen kann». Auch in den kommenden Jahren müsse man zusammen mit Wissenschaftlern und Unternehmen alles daran setzen, Möglichkeiten zur Bekämpfung der Schädlinge zu finden.

Verarbeitet werden die Rüben hiesiger Bauern derweil im einzigen noch bestehenden hessischen Werk von Südzucker in Wabern im Schwalm-Eder-Kreis sowie in Offstein in Rheinland-Pfalz. Dort werden sie geschnitzelt und bei etwa 70 Grad gekocht bis sich der Zucker löst. Nach der Verdampfung folgt die Trennung der Zuckerkristalle vom Sirup in der Zentrifuge. Der so entstehende Zucker wird nochmals in Wasser gelöst und kristallisiert, um so besonders reinen und weißen Zucker zu erhalten. 

Gesamte Rübe wird verarbeitet

Übrig bleiben die Rübenschnitzel, die entweder noch frisch als Viehfutter verwendet oder mittels Trocknung zu Pellets verarbeitet werden. Selbst Dromedaren in der arabischen Welt dienen solche Pellets als Mahlzeit, sagt Mehl. Verwendbar sind die Rübenschnitzel auch für Biogasanlagen - das sei allerdings kostspielig und funktioniere nicht ohne Förderung. 

Nach Angaben des hessischen Bauernverbands wuchsen in diesem Anbaujahr Zuckerrüben auf rund 18.300 Hektar Ackerland - vor allem in der Region um Frankfurt bis ins hessische Ried, in der Wetterau sowie in der Umgebung von Limburg und im Main-Kinzig-Kreis. Auch weiter nördlich gelten Zuckerrüben als wichtiger Teil der Fruchtfolge. So fänden sich auch in der zwischen Alsfeld und der Region nördlich von Kassel fruchtbare Anbaugebiete.

Hochbetrieb während Rübenkampagne

In der Rübenkampagne, also der Zeit, in der Zuckerrüben verarbeitet werden, wird im Waberner Werk der Mannheimer Südzucker AG 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche gearbeitet. Da die Zuckerfabrik auch am Wochenende und an Feiertagen arbeite, müsse die Rübenversorgung an den Arbeitstagen so gut sein, dass sie an den anlieferfreien Tagen durch das gefüllte Lager sichergestellt sei, erklärt Anke Sostmann, Pressesprecherin des Konzerns. «Hierfür sind täglich mehrere Hundert Transporteinheiten notwendig.»

Mehr als 1.100 Landwirte beliefern die Fabrik. Verarbeitet werden laut Sostmann Rüben aus den hessischen Anbauregionen, aber auch aus dem südlichen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Westthüringen. «Der prozentual größte Anteil der Rüben wird rund um die Zuckerfabrik Wabern im Nordhessischen angebaut.» 

Bis zu 150.000 Tonnen Zucker jährlich

Etwa 100 Mitarbeiter beschäftigt das Werk. 850.000 bis 950.000 Tonnen Rüben werden dort jährlich verarbeitet, 135.000 bis 150.000 Tonnen Zucker erzeugt. Produkte für den Lebensmitteleinzelhandel werden keine hergestellt. .«Der hessische Endverbraucher begegnet dem Rübenzucker aus Wabern in weiterverarbeiteten Produkten», sagt Sostmann. Am Standort werde Weißzucker für die weiterverarbeitende Industrie produziert, der hauptsächlich lose in Silofahrzeugen, aber auch in Big Bags sowie in 25-Kilogramm-Säcken ausgeliefert werde. 

Die Zuckerfabrik sei sehr gut ausgelastet, so Sostmann. Aufgrund der guten Rübenerträge, die etwas höher seien als in den vergangenen Jahren, sei die Kampagne bereits im September gestartet und werde voraussichtlich im Februar 2025 enden. Der für die Zuckerfabrik interessante Zuckerertrag falle allerdings eher durchschnittlich aus.«Da die Sonne in dieser Vegatationsperiode nicht so intensiv für die Pflanzen verfügbar war wie in den vergangenen Jahren, liegt der Zuckergehalt der Rüben eher etwas unter dem langjährigen Durchschnitt.»

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Datum: 02.12.2024
Rubrik: Vermischtes
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