Neue Technik für reineres Rheinwasser

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Neue Technik für reineres Rheinwasser

Mainz (dpa/lrs) - Noch sind es zwei schlichte Rohbauten, doch schon bald werden die Konstrukte im Mainzer Stadtteil Mombach direkt neben der Schiersteiner Brücke am Rhein mit viel Technik gefüllt. Bis 2027 bekommt die Kläranlage der Landeshauptstadt eine vierte Reinigungsstufe. 

Die soll das Abwasser in der größten kommunalen Kläranlage von Rheinland-Pfalz auch um Rückstände von Medikamenten, Kosmetika und anderen Schadstoffen befreien. Damit wird technisch ein Stück weit Neuland betreten. 

Und warum das Ganze? Selbst nach der Klärung mit heutzutage herkömmlichen Verfahren bleibt ein Großteil einiger sehr langlebiger Schadstoffe im Abwasser. Ein Beispiel das Schmerzmittel Diclofenac, von dem laut Umweltbundesamt in Deutschland pro Jahr rund 85 Tonnen verbraucht werden.

Etwa 100 Tuben Schmerzmittel landen täglich im Rhein

Allein in der Kläranlage Mainz werden laut des dortigen Wirtschaftsbetriebs nach Durchlaufen der bisherigen Reinigungsstufen noch immer umgerechnet etwa 100 Tuben des Schmerzmittels pro Tag in den Rhein geleitet. Mit dem Start der vierten Reinigungsstufe 2027 sollen es geschätzt lediglich noch 0,2 Tuben sein, wie Ralf Kaiser erklärt, der für den Bau der Stufe zuständig ist. 

Und Diclofenac ist nur einer von Tausenden Stoffen, die im Abwasser stecken. Es geht um viele andere medizinische Wirkstoffe, um künstliche Hormone, Röntgenkontrastmittel, Süßstoffe aus Diätdrinks oder Duftstoffe aus Duschgels. Sie alle gelangen ins Abwasser, indem Menschen sie nach der Einnahme fast komplett wieder ausscheiden oder indem alte Medikamente unsachgemäß entsorgt und einfach in die Toilette oder den Ausguss geschüttet werden. 

Hormone können Fischbestände verweiblichen lassen

In Gewässern können diese Rückstände Pflanzen und Tiere schädigen, mittelbar etwa über Fische auch wieder in den menschlichen Nahrungskreislauf gelangen. Bei Fischen, Krebsen, Muscheln oder Algen kann es zu Verhaltens- oder Entwicklungsstörungen kommen. 

Es sei sogar schon beobachtet worden, dass aufgrund vieler Hormone etwa aus Antibabypillen Fischbestände komplett verweiblicht seien, erklärt Henning Knerr, Leiter der Beratungsstelle Abwasser an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Knerr spricht von einem «Riesencocktail» im Abwasser. 

Wie also funktioniert die Reinigung des Abwassers genau? Zunächst gibt es drei herkömmliche Reinigungsstufen, so auch in Mainz:

1. Stufe: 

Mit Sieben, Rechen oder in Absetzbecken werden Feststoffe aus dem Abwasser geholt, etwa Toilettenpapier, Essensreste oder auch Sand. 

2. Stufe:

Bei dieser biologischen Behandlung mit Hilfe von Bakterien und anderen Mikroorganismen geht es darum, Abwasser von organischen Verbindungen zu befreien, zum Beispiel von Nährstoffen wie Stickstoff. 

3. Stufe: 

Hier folgt die chemisch-physikalische Behandlung. Es geht in erster Linie um die Entfernung von Phosphor. Es werden Chemikalien für die Phosphor-Fällung zugegeben, es bilden sich Flocken, die aus dem Wasser geholt werden können. 

An diese drei Stufen wird sich in Mainz voraussichtlich ab 2027 die vierte Stufe anschließen. In der Landeshauptstadt wird auf eine Kombination zweier Verfahren gesetzt, wie Kaiser erklärt. Das gebe in diesem großen Maßstab so noch nicht. Zunächst geht es in die Ozonierung. Hierbei crackt oder spaltet Ozon - O3 - die chemischen Verbindungen der Schadstoffe. Danach fließt das Abwasser durch granulierte Aktivkohle, an der bleiben die Substanzen hängen, der so gewonnene Klärschlamm wird schließlich verbrannt. 

Für diese künftig noch sorgfältigere Reinigung des Abwassers spricht nach Angaben der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) auch, dass im Land ein großer Teil des Trinkwassers aus Uferfiltrat des Rheins gewonnen wird. Da liege der Sinn einer vierten Reinigungsstufe auf der Hand. Der Klimawandel bringe häufiger niedrige Wasserstände, die Verdünnung der Stoffe im Fluss nehme ab. «Das ist also keine Klimaspinnerei», sagt Eder. 

Teures Vorhaben

Darüber hinaus verlangt die EU-Kommunalabwasserrichtlinie, dass bis 2045 Kläranlagen ab einer bestimmten Größe eine solche Stufe bekommen müssen. In Rheinland-Pfalz trifft das laut Umweltministerium von den insgesamt 660 Kläranlagen im Land auf 65 zu. Ein teures Vorhaben - kostet doch allein die Ergänzung in Mainz rund 30 Millionen Euro. 

Das Land unterstützt die Stadt mit 10,5 Millionen Euro, der Bund gibt für das auch bundesweit außergewöhnliche Projekt 5,8 Millionen. Für Ministerin Eder ist das alternativlos. «Die Investitionen sind nötig, denn wir alle brauchen saubere Gewässer und sauberes Trinkwasser», sagt sie. 

Was müssen die Hersteller solcher Substanzen tragen?

Klar ist, dass sich die Investitionen auch auf Gebühren von Bürgerinnen und Bürger auswirken werden. In Mainz soll sich das den Angaben zufolge in Grenzen halten. Ministerin Eder hofft außerdem darauf, dass in Zukunft Hersteller von Produkten mit solch problematischen Substanzen über die erweiterte Herstellerverantwortung zur Kasse gebeten werden. Wann und wie das konkret von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, sei aber noch unklar.

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Datum: 26.05.2025
Rubrik: Rheinland-Pfalz
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