"Das strapaziert die Geduld" - Hohe Belastung bei Ausländerbehörden

Zum Teil katastrophale Situation

"Das strapaziert die Geduld" - Hohe Belastung bei Ausländerbehörden

Mainz (dpa/lrs) - Der Gang zur Ausländerbehörde ist für viele Menschen mit quälenden Fragen verbunden: Wird meine Aufenthaltsgenehmigung verlängert? Bekomme ich eine Arbeitserlaubnis? Kann ich meine Familie nachholen? Die Sachbearbeiter kümmern sich um Antworten - und stehen dabei vielfach unter Druck. «Die Arbeitsbelastung in den Ausländer- und Einwanderungsbehörden ist sehr hoch, eine Entspannung ist nicht in Sicht», sagt die Direktorin des Städtetags Rheinland-Pfalz, Lisa Diener.

Auch aus Sicht der Betroffenen ist die Situation problematisch. «Viele Menschen haben die Sorge, dass sie nicht ernst genommen werden, dass sie hingehalten werden», kritisiert Nihal Bayram von der rheinland-pfälzischen Beratungsstelle des Vereins der Eltern aus Kurdistan in Deutschland (Yekmal). So höre sie häufiger, dass selbst nach einer form- und fristgerechten Abgabe von Anträgen verlangt werde, dass die Unterlagen ein weiteres Mal eingereicht werden müssten, da nichts angekommen sei. «Diese langen Verfahren, das strapaziert die Geduld.»

Ein Alarmruf kam im Januar von neun Organisationen der Migranten- und Flüchtlingshilfe in Rheinland-Pfalz, unter ihnen die Arbeitsgemeinschaft der Migrationsbeiräte, Caritas und Diakonie. Sie sprechen von einer «zum Teil katastrophalen Situation bei zahlreichen Ausländer- und Einbürgerungsbehörden in Rheinland-Pfalz». In der eigenen Beratungsarbeit sei deutlich geworden, dass «Anträge nicht angenommen oder nicht oder nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung beschieden werden». Verzögertes Behördenhandeln habe vielfach negative Konsequenzen für die Betroffenen: «Aufenthaltstitel erlöschen, Arbeitsplätze gehen verloren, Leistungsansprüche können nicht geltend gemacht und Einbürgerungsbegehren nicht anhängig gemacht werden.»

Aus Sicht der Kommunen gibt es drei Gründen für die hohe Belastung: Städtetagsdirektorin Lisa Diener nennt die steigende Zahl an Fluchtaufnahmen, komplizierte und sich häufig ändernde gesetzliche Vorgaben sowie eine angespannte Personalsituation. «Wir sehen zum Teil eine sehr hohe Betreuungsquote der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Rückstände bei der Bearbeitung der Anträge und dadurch lange Wartezeiten.»

In der Abteilung Ausländerangelegenheiten im Bürgeramt Mainz kümmern sich im Wesentlichen 29 Sachbearbeiter und 4 Grundsatzsachbearbeiter um die Anliegen von rund 42 500 Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Unter diesen sind gut 16 000 EU-Bürger und etwa 11 000 Menschen mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel, die nach Angaben der Stadt «wesentlich weniger Aufwand in der Sachbearbeitung verursachen als Menschen mit befristeten Titeln».

Vor allem in den ersten Monaten des Ukraine-Krieges, der vor einem Jahr begann, seien Mehrbelastungen spürbar gewesen, sagt eine Stadtsprecherin. «Sie konnten durch überdurchschnittliches Engagement des ohnehin schon stark ausgelasteten Personals sowie durch veränderte Prozesse abgefangen werden.» Zu Wartezeiten komme es eher bei der Terminvergabe als in der eigentlichen Sachbearbeitung. Notfälle und dringliche Anlässe, bei denen es um Arbeitsverträge oder Sozialleistungen gehe, könnten in der Regel dazwischengeschoben werden.

Das Antragsaufkommen in den Ausländerbehörden werde weiter zunehmen, erwartet der Städtetag. Allerdings sei es schwierig, geeignetes Personal zu finden, weshalb die Belastung für die jetzt vorhandenen Sachbearbeiter weiter steigen werde. «Inzwischen haben wir in einigen Ausländerbehörden hohe Krankenstände zu verzeichnen», sagt Lisa Diener. Die Städte bemühten sich intensiv, die personelle Situation im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verbessern. Dazu sei der Städtetag auch im Gespräch mit der Landesregierung.

Dass sich etwas ändern muss, darin sind sich alle Beteiligten einig. Die gesetzlichen Regelungen müssten praxistauglicher werden, fordert der Städtetag. «Die Antragsverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Dies würde zu einer Entlastung der Arbeit der kommunalen Ausländerbehörden führen.»

Das Bündnis der Migranten- und Flüchtlingshilfe empfiehlt eine personelle Verstärkung der Ausländerbehörden, was das Land mit einem jährlichen Zuschuss von 15 000 Euro je Stelle finanziell unterstützen solle. Auch solle analog zur bestehenden Zentralstelle für Rückführungsfragen, also für Abschiebungen, eine neue Zentralstelle für Einbürgerung und Aufenthaltsverfestigung eingerichtet werden.

Das rheinland-pfälzische Integrationsministerium erklärt zum Vorstoß der Flüchtlingsinitiativen, es werde geprüft, mit welchen Maßnahmen die kommunalen Einbürgerungs- und Ausländerbehörden unterstützt werden könnten. Reserviert reagiert das Ministerium auf den Vorschlag einer Zentralstelle: Damit würden «wenig effiziente Doppelstrukturen» geschaffen. Bei einer «serviceorientierten Ausrichtung der Ausländer- und Einbürgerungsbehörden» seien immer Beratungen vor Ort anzustreben.

Als Beraterin kurdischer Familien wünscht sich Nihal Bayram «mehr kultursensible Behandlung» auf den Ämtern. «Wenn Menschen vor Bedrohung, Krieg oder Armut geflohen sind, sollte man ihnen eine Hand reichen.»

Foto: Uli Deck/dpa

Berichterstattung regional und aktuell aus Koblenz und der Region Mittelrhein.

Datum: 16.02.2023
Rubrik: Vermischtes
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