Französische Gäste kamen über Pfingsten nach Nassau

Städtepartnerschaft als Beitrag zu Frieden, Freiheit, Überwindung von Grenzen und Völkerverständigung

Französische Gäste kamen über Pfingsten nach Nassau

48 Jahre Städtepartnerschaft Nassau / Pont-Château: Ganz besonders in Zeiten, in der Nationen zerbröckeln, kleinstaatliches Denken, Fremdenfeindlichkeit, Abgrenzung und Hass aus der Mottenkiste geholt werden, weil rückwärtsgewandte Vorstellungen oft die einfachsten sind, sind internationale kommunale Kontakte von unschätzbarem Wert. Wie Völkerverständigung über persönliche Beziehungen erreicht wird, zeigten am Pfingstwochenende erneut die Menschen aus Pont-Château und Nassau, bei ihrem diesjährigen Partnerschaftstreffen in der Grafenstadt Nassau.

„Nous ne regrettons rien“ – „Wir bereuen nichts“, unter dieses Motto hätte man das diesjährige Partnerschaftstreffen zwischen den Städten Nassau und Pont-Château in Frankreich stellen können. Als die französischen Gäste am Samstagmorgen des 27. Mai nach einer über 1.000 Kilometer langen Busfahrt am Nassauer Amtsplatz eintrafen, wurden sie mit überwältigender Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit von ihren Gastgebern empfangen. Dabei wollten die Begrüßungen bei dem persönlichen Wiedersehen kein Ende nehmen, denn à la francaise heißt das eben immer gleich vier Wangenküsschen, zwei links, zwei rechts.

Vor 48 Jahren, genauer gesagt am 18. Mai 1975, hatten die damaligen Stadtbürgermeister Erich Bruchhäuser und Yves Mesnier den Grundstein der Städtepartnerschaft zwischen Nassau und Pont Château mit einer Urkunde gelegt. Es war eine wunderbare Geste, als Nassau und Pont-Château sich die Hand reichten. Viele Bürgerinnen und Bürger haben im Laufe der Jahre die Verbindungen nach und nach mit Leben gefüllt, Kontakte aufgenommen, sind Freundschaften eingegangen und haben die Beziehungen vertieft. Dabei spielten die Partnerschaftsfeste immer wieder eine wichtige Rolle.

Auch wenn sich die Zeiten änderten, blieb die Aufgabe dieselbe, das Verständnis zwischen den Menschen beider Nationen zu fördern. In all den Jahren kann man auch heute noch sagen, die Städtepartnerschaft zwischen Nassau und Pont-Château ist ein gelebtes Europa zwischen Menschen und ein gelungener Beitrag zur Völkerverständigung. Wie Stadtbürgermeister Manuel Liguori gegenüber der Redaktion äußerte, bereue man nichts, ganz im Gegenteil. „Wir sind stolz darauf, dass sich auch nach einer 48-jährigen Freundschaft die Bürgerinnen und Bürger beider Städte am Austausch noch immer beteiligen“, so das Stadtoberhaupt.

Die Feierlichkeiten begannen bereits am Samstagnachmittag beim Familienspaß in der Innenstadt mit Kleinkunst, Hüpfburg und dem Spielmobil des Rhein-Lahn-Kreises. Der Abend gehörte dann dem offiziellen Zeremoniell der Freundschaftsfeier im Schlosshof, welcher musikalisch von der Lahnsin(n)fonie unter Leitung von Kay Gutjahr begleitet wurde. Es war der Moment der großen Gesten: Stadtbürgermeister Manuel Liguori und seine französische Kollegin Danielle Cornet sprachen Grußworte aus.

Nassaus Stadtbürgermeister Liguori würdigte in seiner Rede die Partnerschaft zwischen den beiden Kommunen, bei der Freundschaften über die Grenzen hinweg entstanden sind. Dabei hob er die seit 48 Jahren gut gepflegte Partnerschaft beider Städte besonders hervor. Wie Nassaus Stadtoberhaupt weiter sagte, sei die deutsch-französische Verständigung eine der Grundlagen der europäischen Integration, bei der die Kommunen beider Länder die Hauptakteure seien. Die Freundschaft, welche zwischen Pont-Château und Nassau bestehe, mache nicht nur Europa erlebbar, sondern man lebe die Freundschaft, man lebe Europa und leiste dadurch einen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Frieden in Europa. Städtepartnerschaft bedeute aber auch, miteinander sprechen, voneinander lernen, miteinander handeln und einander zu vertrauen. Dieses Vertrauen wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten aufgebaut. Damit diese Partnerschaft auch weiterhin eine Zukunft habe – und darüber seien sich die Verantwortlichen auf beiden Seiten im Klaren – müsse man es schaffen, Familien, junge und ältere Menschen in beiden Gemeinden für die Partnerschaft zu begeistern. Als Zeichen für die Dauerhaftigkeit und stetige Erneuerung der Freundschaft wurde man von Seiten der Stadt Nassau ein Geschenk ausgesucht, welches an das diesjährige Stadtjubiläum erinnert, eine mittelalterliche Ansicht von Nassau, die auf den berühmtesten Kupferstecher des 17. Jahrhunderts, Matthäus Merian der Ältere, zurückgeht.

Die französische Bürgermeisterin Danielle Cornet, die den Nassauern für den herzlichen Empfang dankte, sagte in ihrer Rede: Die Freundschaft, welche die Bewohner von Pont-Château und Nassau verbinde, sei außergewöhnlich. Sie erstrecke sich über mehrere Generationen. Ganze Familien hätten nicht nur Geburtstage, Hochzeiten und Geburten zusammen gefeiert und miteinander verbracht, sondern auch Verluste geteilt. Mit der Städtepartnerschaft sollte im Jahr 1975 eine Seite schmerzvoller Geschichte beider Länder umgeblättert und eine neue Seite, die einer dauerhafte Freundschaft, aufgeschlagen werden. Wie Bürgermeisterin Cornet weiter ausführte, verstärke der Austausch im Rahmen der Städtepartnerschaft das Zugehörigkeitsgefühl zu dem gemeinsamen Europa, das entstand, als Robert Schuman am 9. Mai 1950 zu einer neuen Form von wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit aufrief, um einen Krieg zwischen den europäischen Nationen unmöglich zu machen. Die europäischen Staaten, welche noch nicht Mitglied in der europäischen Union seien, ermessen die Tragweite einer Mitgliedschaft. Sie sei der Garant des Friedens und des wirtschaftlichen Gleichgewichts mit dem Rest der Welt. Die europäischen Werte und die europäische Devise „In Vielfalt geeint“, seien besonders wichtig, wenn man an die Ukraine denke, die tapfer für die Freiheit ihrer Bevölkerung und ihres Landes kämpfe. Diese Einheit gelte es zu wahren gegen den Aufstieg der Rechtsextremisten, welche versuchen Einfluss zu nehmen. Man wolle behalten und weitergeben was uns teuer sei: Freiheit und Frieden. Nach diesen Worten zitierte sie Barack Obama, der im Jahr 2016 bezüglich Europas sagte: „Völker Europas, vergesst nicht, wer ihr seid. Ihr seid die Erben des Kampfs für die Freiheit. Wir brauchen mehr Verständnis, mehr Dialog, mehr Menschlichkeit. Das alles seid ihr, gemäß eurer Devise „in Vielfalt geeint.“ Laut Cornet verwirklichen Städtepartnerschaften die Gründungswerte Europas auf lokaler Ebene. Daher müsse man diese nach fast 50-jährigem Engagement an die kommende Generation weitergeben. Als Zeichen der Freundschaft übergab sie eine Ansicht von Pont-Château. Ihren Worten folgte begeisterter Applaus. Die Übersetzung der Ansprachen von Liguori und Cornet – auf Deutsch und Französisch – übernahm Ulrike Weiwad-Klenk, wofür man ihr herzlich dankte.

Nach der offiziellen Eröffnung im Schlosshof ging es dann zwischen Rathaus und Schloss hindurch auf den Marktplatz zur großen Party mit Livemusik der Coverband Noisic, dem Top-Act des Abends.

Wer die Menschen an diesem Abend im Schlosshof und später auf dem Nassauer Marktplatz erlebte, war schon beeindruckt, wie Europäer angesichts von historischen Differenzen gelernt haben, gemeinsam das Fundament eines vereinten Europas zu schaffen. Dazu trugen sicherlich Städtepartnerschaften wie die zwischen Nassau und Pont-Chateâu bei. Eine solche Partnerschaft, die tief in der Bevölkerung beider Städte verankert ist und Menschen auch jenseits von offiziellen Kontakten zusammenbringt, hatten sich die Gründer 1975 zum Ziel gesetzt, denn gerade die enge Verbindung ist es, die die Grundlage für ein geeintes Europa bildet.

Zu den Highlights an diesem Samstag zählte unter anderem auch die 3-D-Kunst des in Nassau ansässigen Künstlers Alexander Petscherskich, der im mehrfachem Wortsinn Brücken bauen möchte.

Der Sonntag gehörte einem anderen Element, dem Wasser. Am Bootshaus des Nassauer Kanu-Clubs lagen für abenteuerlustige Gäste bunte Drachenboote, mit denen sie über die Lahn schippern konnten.

Der Pfingstmontag begann mit einem ökumenischen, zweisprachigen Gottesdienst im Freiherr-vom-Stein-Park. Danach breiteten die Besucher Decken und Picknickkörbe aus und lauschten gemeinsam den musikalischen Klängen von Liedermacher Andreas Sittmann und Singer/Songwriterin Isabell Krohn.

Nach einem küsschen- und tränenreichen Abschied brachen dann die französischen Gäste am Tag danach zur Rückreise auf. Nach den erfolgreichen Pfingsttagen steht zu hoffen, dass die Gäste aus Pont-Chateâu in ihrer Heimatstadt viel Gutes über das Lahnstädtchen zu berichten haben, vor allem von einer Freundschaft, die nach 48 Jahren immer noch funktioniert.

 

Text und Foto: Achim Steinhäuser

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Datum: 31.05.2023
Rubrik: Bad Ems
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