Andernach in aller Munde: Bei Königs zu Tisch

Essen und Trinken im frühen Mittelalter

Andernach in aller Munde: Bei Königs zu Tisch

In Teil 2 der Reihe „Andernach in aller Munde“ befasst sich mit einem wichtigen, aber eher wenig bekannten Punkt der Stadtgeschichte, dem frühen Mittelalter.

Andernach, das auch nach dem Ende der römischen Herrschaft im Mittelrheingebiet (um 450/460 n.Chr.) ein florierender Hafen- und Handelsort blieb, nimmt in dieser Zeit als Königsresidenz eine ganz besondere Rolle ein. Diese herausragende Bedeutung des frühmittelalterlichen Andernach wird sich auch im Culinacum widerspiegeln.

Wahrscheinlich hatte die mächtige spätrömische Kastellmauer mit ihren Türmen und Toren den Epochenwechsel weitgehend intakt überstanden. Auch werden noch einige römische Steingebäude gestanden haben. Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, dass sich die neuen Herrscher, die fränkischen Könige, in dem mächtigen spätrömischen Kornspeicher (lateinisch: horreum) zwischen Schaar- und Kirchstraße eine Residenz einrichteten. Die Könige des Mittelalters reisten von Ort zu Ort durch ihr Reich und machten unterwegs an verschiedenen Orten Station. Eine dieser Residenzen war die Andernacher „Villa regia“ (wobei dieser Begriff auch den Gesamtbesitz des Königs in Andernach beschreiben könnte und nicht nur ein Bauwerk). Wir wissen von zahlreichen illustren Persönlichkeiten, die hier im 5. und 6. Jahrhundert zugegen waren: so zum Beispiel die Merowinger-Könige Childebert II. (588 und 594) und Chlothar II. (613), wahrscheinlich auch Brunichild (die vielleicht als Vorbild für die Brunhilde des Nibelungenliedes diente), und später dann Kaiserin Theophanu (987), die in Andernach einen Hoftag abhielt.

In Andernach wurde damals Weltgeschichte geschrieben. Die hier ab dem 6. Jahrhundert geprägten Münzen wurden weithin gehandelt. Gleiches gilt für Mühlsteine aus Eifler Basaltlava und für Keramik aus dem nahen Mayen, die über den Andernacher Hafen über weite Strecken verschifft wurden.

Der Aufenthalt des Merowingerkönigs Childebert II. im Jahre 588 ist uns durch das berühmte Gedicht des Venantius Fortunatus besonders gut überliefert. Und hier setzt auch der Kontext zum Culinacum, in dem Stadt- und Ernährungsgeschichte zusammenlaufen werden, direkt an: Venantius Fortunatus berichtet uns nämlich von der Flussreise des Königs von Metz nach Andernach. Bei uns stieg der König mit seinem Hofstaat in der Königsresidenz ab, wo ein prachtvolles Gastmahl aufgetischt wurde:

„Schnell dann nahte ich mich den Mauern der Andernacher Festung
Als ich, Fahrgast des Schiffes, weiter von dort aus gereist.
Weingärten liegen hier auf den Hügeln auf weiten Strecken,
Anderen Ufers indes: ebenes, fruchtbares Feld.
Und der prächtige Ort besitzt auch dadurch noch reichere Fülle,
Dass aus dem Wasser dem Volke kommt noch reicherer Ertrag.
Während der König nun hier in den Hallen der Pfalz residierte
Und der Tischsitte nach festliche Mahlzeiten hielt,
Blickt er ins Netz, aus dessen Gestrick den Salm man befreite;
Und die Fische er zählt‘, sitzend in seiner Burg;
Freute sich an seinem Tisch, wenn der Fisch aus den Wellen emporsprang,
Und es ergötzte sein Herz, was ihm als Beute gebracht:
Glücklich besah er den Fang und beglückte dadurch sein Gefolge […].“

Der von den Römern ins Rheinland gebrachte Wein und der berühmte Rheinlachs waren es also, die dem König vor über 1.400 Jahren in seiner Andernacher Residenz ein Lächeln aufs Gesicht zauberten. Im Umfeld des Königshofes, dem zahlreiche wohlhabende Hofbeamte, Schreiber und weiteres Personal angehört haben dürften, siedelten sich offenbar auch Goldschmiede an, die hier zum Beispiel Fibeln (aufwendige Gewandnadeln) und weitere wertvolle Schmuckgegenstände fertigten. Als im 19. Jahrhundert die beiden größten frühmittelalterlichen Gräberfelder Andernachs, an der Landsegnung / St. Peter und am Fuße des Kirchbergs, ausgegraben wurden, kamen zahlreiche dieser den Toten als Grabbeigaben mitgegebenen Schmuckobjekte zum Vorschein. Sie belegen die Anwesenheit einer wohlhabenden Elite, die zum Teil sicherlich mit dem Königshof in Verbindung stand. Ein wahrer Schatz sind auch die rund 40 erhaltenen Grabsteine, die aus den Gräberfeldern geborgen wurden. Sie überliefern uns nicht nur die Namen damaliger Andernacher wie RAGNOALDUS oder LEUDETRUDIS, sondern stellen auch die ältesten Belege für die Kirche St. Peter dar, in der zum Beispiel der Notar SANTA bestattet wurde.

 

Was aßen nun diese Menschen im frühmittelalterlichen Andernach? Fest steht, dass am königlichen Hof das Weiterleben ehemals typisch ‚römischer‘ Nahrungsmittel wie Wein, Olivenöl, Pfau und der berühmten Fischsauce (garum) ein Mittel der Machtrepräsentation darstellte. Die fränkischen Herrscher inszenierten sich bei festlichen Gelagen auch durch die Speisen als legitime Nachfolger der Römer.

Zu den typischen Trinkgefäßen des Frühmittelalters zählen die sogenannten Tummler, halbrunde Glasbecher ohne Fuß, die – einmal mit Wein, Met oder Bier gefüllt – ganz ausgetrunken werden mussten, bevor man sie umgestülpt wieder auf den Tisch stellen konnte. Diese Trinkgefäße gehören auch zum Inventar zahlreicher Gräber hochgestellter und offenbar trinkfester Andernacher.

Grundnahrungsmittel für alle Bevölkerungsschichten stellten im frühen Mittelalter Getreidebreie aus Roggen und Hirse sowie Brot, Hülsenfrüchte und Milchprodukte dar. Der Anbau von Dinkel und Weizen geht, darauf deuten archäobotanische Befunde hin, im frühen Mittelalter deutlich zurück, wohingegen der robustere Roggen an Bedeutung gewinnt. Hierfür könnten (neben dem Geschmack der Franken) auch klimatische Gründe ausschlaggebend gewesen sein. Berühmt und gut belegt ist die große Leidenschaft der Franken für Fleisch: So sollen sie insbesondere für Schweinespeck geschwärmt haben, der sogar als Wundpflaster verwendet worden sein soll. Auch Schweine-, Rinder- und Hühnerfleisch sowie Eier und Fisch waren wichtige Bestandteile der Ernährung.

Durch die Landgüterordnung Karls des Großen (um 800) sind wir außerdem sehr gut darüber informiert, welche Nutzpflanzen an allen königlichen Residenzen angebaut und auf Vorrat gehalten werden mussten. Dazu gehörten zum Beispiel Mangold, Kohl, Pastinaken, Gartenmelde, Bohnen, Petersilie, Sellerie, Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Kirschen und vieles andere mehr. Auch Feingebäck und verschiedene Fleischsorten wie Schwein, Rind und Hammel, aber auch Pfau, Fasan und Tauben mussten stets vor Ort sein, um dem König und seinem Hofstaat zur Verfügung zu stehen. Obwohl die Andernacher „Villa regia“ im 7. Jahrhundert an Bedeutung verloren hatte und Teile des Baukomplexes am heutigen Merowingerplatz an das Kloster Stablo-Malmedy gelangten, kann man davon ausgehen, dass auch auf den königlichen Ländereien in und um Andernach diese Pflanzen kultiviert und diese Tiere gehalten wurden. Eine wichtige Bedeutung kommt in der Landgüterverordnung Karls des Großen auch dem Bier und dem Wein zu. Dem rund um Andernach gewonnenen Tröpfchen hatte ja bereits Venantius Fortunatus ein literarisches Denkmal gesetzt…

 

Pressemitteilung und Foto: Stadt Andernach

Aktuelle und regionale Berichte mit dem TV Mittelrhein

Datum: 19.07.2023
Rubrik: Andernach / Pellenz
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