Partys sind gut gebucht, Sitzungen weniger
«Karneval ist auch ein Ventil» - zum närrischen Ticketvorverkauf
Mainz/Koblenz (dpa/lrs) - Wenige Wochen vor dem für Narren so wichtigen 11.11. zeigt sich beim Ticketverkauf für närrische Veranstaltungen in Rheinland-Pfalz ein gemischtes Bild. In Koblenz ist die Rede von einem großen Ansturm auf Party-Events und einer gewissen Zurückhaltung bei Sitzungen. In Mainz steht zumindest schon fest, dass der Schillerplatz am 11.11. prall gefüllt sein wird. In Trier sind sich Karnevalisten der Folgen von Preiserhöhungen bewusst, spüren aber gleichzeitig die Lust vieler Menschen auf Ablenkung.
Nach Angaben von Olav Kullak, Zugmarschall in Koblenz und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Koblenzer Karneval gGmbH, ist in der Rhein-Mosel-Stadt der 11.11. auf dem Münzplatz in der Altstadt ausverkauft, 5500 Einlassbändchen sind vergriffen. Auch die Fahrten des sogenannten «Schängelschiffs» seien so gut wie alle weg. Solche partyähnlichen Veranstaltungen kämen sehr gut an, sagte Kullak. Etwas anders sei es beim Sitzungskarneval. «Da ist mehr Zurückhaltung.» Das zeige vielleicht ein Stück weit, wie sich der Karneval insgesamt verändere.
Veranstaltungen von Vereinen in kleineren Orten oder in Stadtteilen liefen tendenziell gut. Zu den dortigen Vereinen hätten die Menschen eine enge Bindung, sagte Kullak. Hier werde viel ehrenamtlich organisiert. Das sei bei größeren Events in der Innenstadt anders, hier brauche es etwa Caterer und andere Dienstleister, was zu höheren Preisen führe. Und die Menschen überlegten durchaus, ob sie auf der Rückfahrt 25 Euro für das Taxi ausgeben wollten.
Kullak verweist auch auf das schier unerschöpfliche Angebot an Unterhaltung in der heutigen Zeit. In Mediatheken könne problemlos Comedy von der heimischen Couch aus angeschaut werden, sagte er. «Dafür muss ich nicht mehr rausgehen, das merkt man schon.» Party mache man dagegen weniger zuhause, das ziehe eher vor die Tür.
Auch moselaufwärts zeigt sich ein gemischtes Bild. «Natürlich stellen die notwendigen Eintrittspreiserhöhungen auf Grund des stark gestiegenen Kosten viele Menschen vor finanzielle Probleme, was sich in den Vorbestellungen von Eintrittskarten et cetera zeigt», sagte Andreas Peters, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval. Darüber hinaus wirke sich die seit der Pandemie bestehende Zurückhaltung vieler Menschen, sich schon früh für eine Veranstaltung zu entscheiden, negativ auf die Planung aus.
Trotz allem, habe die vergangene Session gezeigt, dass gerade in der aktuellen Zeit mit allen Problemen viele Menschen froh seien, dass es Traditionen gebe, die bestehen bleiben. «Oft wird vergessen, dass Karneval nicht daraus besteht, dass einige Personen mit bunten Mützen komische Dinge tun und sich dann ein paar Kaltgetränke hinter selbige schütten», betonte Peters. Karneval sei mehr, Brauchtum, Kultur und vor allem Jugendarbeit und Integration.
In Mainz gibt es für den 11.11. auf dem zentralen Schillerplatz nach Angaben des Mainzer Carneval-Vereins (MCV) keine Tickets mehr. Zur Nachfrage nach Sitzungen lässt sich Sprecher Michael Bonewitz zufolge noch wenig sagen. Dieses Jahr sei ein neues Online-Tool an den Start gegangen, mit dem sich Närrinnen und Narren für die jeweilige Sitzung ihre Plätze selbst aussuchen könnten. Dieser Online-Ticketverkauf laufe erst seit einer Woche.
Die Rheinischen Karnevals-Korporationen (RKK) mit Sitz in Koblenz blicken trotz allem recht optimistisch nach vorne. «In der vergangenen Session konnten wir in der Tat feststellen, dass viele Besucher mit dem Kauf von Tickets vorsichtig waren», teilte Sprecher Horst Hohn mit. Das habe sich etwa darin gezeigt, dass Karten sehr spät gekauft worden seien. Es habe offenbar Sorgen gegeben, dass Veranstaltungen abgesagt werden könnten oder es zu Einschränkungen komme.
Aktuell sei das anders. «Der Vorverkauf läuft weitgehend zufriedenstellend», hieß es von den RKK, die nach eigenen Angaben rund 1400 Vereine als Mitglieder zählen. Es gebe Sitzungen im November, die ausverkauft seien, obwohl in den jeweiligen Vereinen in diesem Jahr keine neue Tollitäten inthronisiert würden. In vielen Vereinen gibt es nur alle zwei Jahre oder in noch größeren Abständen neue Tollitäten - also Prinzenpaare oder Möhnenpaare.
In den Jahren der Inthronisierung gebe es traditionell eine stärkere Nachfrage, erklärte Hohn. «Die Tollitäten bringen dann Freunde und Verwandte mit.» Ein Beispiel dafür, dass Tickets auch ohne neue Tollitäten in diesem Jahr begehrt seien, sei der Möhnen-Club 1950 Mülheim in Mülheim-Kärlich - der nach eigenen Angaben größte Möhnenverein Deutschlands.
Das bestätigte die Vorsitzende des Möhnen-Clubs von Mülheim, Kornelia Punstein. Die Prunksitzungen am Wochenende nach der Rathaus-Erstürmung am 11.11. seien fast ausverkauft - und das, obwohl die Ticketpreise moderat angehoben worden seien. Die Menschen hätten Verständnis dafür. Ein großes Zelt etwa, in dem am Schwerdonnerstag - anderswo Weiberfastnacht genannt - gefeiert werde, sei diesmal 700 Euro teurer als im vergangenen Jahr.
Es müsse aber stets am Programm gearbeitet werden, um attraktiv zu bleiben, sagte Punstein. «Man ist ständig in Arbeit.» Für die mehr als 800 Vereinsmitglieder gebe es dieses Jahr beispielsweise das Möhne'-Pässche - sozusagen ein «Pässche für Spässche», wie Punstein erklärte. Mit dem Pass seien einige Vergünstigungen verbunden sowie Verlosungen, es sei eine kleine Anerkennung.
RKK-Vertreter Hohn sagte mit Blick auf die Nachfrage: «Wir führen dies darauf zurück, dass die Menschen Karneval feiern möchten - sie benötigen eine Abwechslung vom Alltag.» Der sei für viele sorgenvoll, wegen der Inflation oder der Weltlage mit Krieg und Terror. «Der Karneval war und ist immer auch ein Ventil, wenn es den Menschen schlecht geht.» Das zeige sich auch bei den Aktiven-Zahlen: Insbesondere im Gardetanzsport sei eine sehr erfreuliche Entwicklung im Gange. Es bleibe nun abzuwarten, wie die Konsumbereitschaft der Gäste bei den Veranstaltungen sei. Hierzu ließen sich nach den ersten Sitzungen ab dem 11.11. erste Aussagen treffen.
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