Bombendrohung und Hassmails: Wie die Polizei solche Gefahren abwehrt

Ein Bericht als Übersicht

Bombendrohung und Hassmails: Wie die Polizei solche Gefahren abwehrt

Mainz (dpa/lrs) - Bombendrohungen gegen Bahnhöfe, Sendeanstalten, Schulen, Museen und Firmen sowie angekündigte Angriffe gegen Kommunalpolitiker: Die Einschätzung solcher Gefahren und die Entscheidung für die angemessenen Vorsichtsmaßnahmen gehören zur täglichen Arbeit des Landeskriminalamts (LKA) in Mainz. Dazu kommen die möglichen Auswirkungen von Ereignissen wie der Terrorwarnung auf den Kölner Dom auf das eigene Bundesland.

«Es ist ein Dauerprozess, die Lagen zu bewerten», sagt LKA-Präsident Mario Germano im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Dabei spiele die Beobachtung des Internets «mit seinen Echokammern» eine immer größere Rolle. Auch auf eine «mittlere zweistellige Zahl» von Gebäuden und anderen potenziell gefährdete Einrichtungen im Land haben die Ermittler einen besonderen Blick.

Dazu kommt der Personenschutz etwa für besonders gefährdete Politiker wie die Ministerpräsidentin und den Innenminister. Personen und Namen verrät das LKA dazu aber nicht, auch nicht die Größenordnung. Auch dabei gilt: «Personenschutz ohne Gefährdungsbewertung gibt es nicht», sagt Germano.

Eine akute Gefährdungsbewertung machen die LKA-Beamten immer im Team, wie der LKA-Präsident erläutert. Hilfreich ist dabei - neben dem Kontakt zu den örtlichen Polizeidienststellen, anderen Landeskriminalämtern und dem Bundeskriminalamt - das breite Fachwissen in der Behörde. Ethnologen, Psychologen, Islamwissenschaftler gehören beispielsweise dazu und können etwa bei häuslicher Gewalt die Entscheidungsfindung mit ihrer Einschätzung unterstützen. «Wir haben über 50 verschiedene Berufsgruppen im LKA», sagt Germano.

Bei der Androhung von häuslicher Gewalt könnten auch Informationen der örtlichen Polizei entscheidend bei der Bewertung der Frage sein, ob eine Gefährderansprache («Wir haben dich im Blick») reicht oder nicht. Ist der, der droht, schon mal gewalttätig geworden? Ist er vor Ort bekannt? Und bei mutmaßlichen ausländischen Tätern: Wie lange leben sie schon in Deutschland und wie verwurzelt sind sie? Aus welcher Region eines Landes kommt der Drohende genau? «Türkei beispielsweise ist nicht Türkei», sagt Germano.

Was passiert, wenn telefonisch eine Bombendrohung eingeht oder eine Straftat angekündigt wird? So beispielsweise gegen den SWR und das ZDF Ende 2023 oder Anfang dieses Jahres gegen die Bahnhöfe in Mainz und Ludwigshafen.

Zunächst gibt es einen Plausibilitätscheck des Anrufs. Gibt es bundesweit vergleichbare Anrufe? Was wurde gesprochen, wie lange und wie detailliert? War der Anrufer eher alt oder jung? Ist Gelächter im Hintergrund zu hören? Wie wahrscheinlich oder glaubwürdig ist die angekündigte Tat? Dabei gibt es oft Zeitdruck. Und am Ende gilt: «Einer muss die Verantwortung übernehmen», sagt Germano.

Dabei ist immer klar: «Eine Risikoabschätzung kann nicht hundertprozentig sein», sagt Germano. Ein Amoklauf und ein Anschlag etwa seien nicht mehr so einfach voneinander zu trennen. Eine große Gefahr gehe zudem vom «verirrten Einzeltäter aus, der nicht den Mob braucht» und zum Küchenmesser greift oder das Auto als Waffe einsetzt.

Ein besonders Augenmerk des LKA liegt auf Personen des öffentlichen Lebens wie Kommunalpolitikern. Sie «sehen sich aufgrund ihres Einsatzes für demokratische Werte, Ansichten oder Entscheidungen zunehmend Anfeindungen ausgesetzt», heißt es im Vorwort einer Broschüre des LKA zur Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern.

In den allermeisten Fällen gehe es dabei um schriftliche Drohungen oder Hassmails. «Doch auch tätliche Angriffe sind mittlerweile keine Seltenheit mehr, Autos werden angezündet, Partei- und Wahlkampfbüros beschmiert oder verwüstet», heißt es in dem Heftchen. «Die Auswirkungen auf die Kommunalpolitiker - Rücktritte, Verunsicherungen - können demokratiegefährdend sein», sagt Germano.

Unter den von der Polizei 2023 erfassten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger waren nach Angaben des Innenministeriums vorläufigen Erkenntnissen zufolge auch sechs Bedrohungen. «Davon waren drei Landtagsabgeordnete, zwei Kommunalpolitiker sowie ein Amtsträger betroffen.»

«Die Zahlen zeigen, dass auch kommunalpolitisch Aktive zunehmend Hass und Hetze durch einzelne Personen ausgesetzt sind», stellt Innenminister Michael Ebling fest. Ob sich das auf die Motivation negativ auswirke, ein solches Amt anzunehmen oder fortzuführen, bleibe abzuwarten, sagt der SPD-Politiker. Er nehme auch wahr, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger «einer Verrohung der Gesellschaft entgegen stellen und von der Bereitschaft und dem Willen geleitet werden, ihre örtliche Gemeinschaft positiv zu gestalten».

Außer einer Reihe konkreter Verhaltenstipps für den Alltag, die Arbeit und das Internet finden Politiker auf den gut 20 Seiten auch eine rund um die Uhr geschaltete Hotline für akute Fälle. Das LKA berät aber Landes- und Kommunalpolitiker auch direkt. «Wer möchte, bekommt eine Beratung», sagt Germano.

Vorgetäuschte Notlagen von Landespolitikern über die Notruf-App Nora beschäftigten das LKA darüber hinaus - zumindest im vergangenen Jahr. Etwa 30 solcher Fälle von «Swatting» gab es dem Innenministerium zufolge im vergangenen Sommer, seither seien keine mehr aufgetreten. Im Vergleich zu anderen Kriminalitätsphänomenen handele es sich dabei aktuell jedoch um ein äußerst kleines Deliktfeld.

«Swatting» ist ein Phänomen aus den USA, das in den vergangenen Jahren auch in Europa vermehrt registriert werde. Bei den Behörden werden Notrufe vorgetäuscht, um diese zum Handeln zu zwingen, erläutert das Innenministerium. Nicht selten alarmierten Personen Polizei oder Notruf, die den angeblich Betroffenen Schaden zufügen wollten. Der Name «Swatting» leite sich von den «Swat-Teams» (Spezialeinheiten) in den USA ab.

Das vorsätzliche Vortäuschen von Notsituationen ist dabei strafrechtlich relevant. Darüber hinaus birgt das Provozieren von Polizei- sowie Rettungseinsätzen mitunter auch Gefahren für die Einsatzkräfte sowie unbeteiligte Dritte, da die Einsatzkräfte in dieser Zeit nicht für echte Notlagen wie einen Herzinfarkt oder Unfall zur Verfügung stehen.

Foto: Andreas Arnold/dpa

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Datum: 07.02.2024
Rubrik: Blaulicht
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