Närrische Orden - Mehr als nur Hingucker in der fünften Jahreszeit

Die beliebte Karnevalsauszeichnung im Überblick

Närrische Orden - Mehr als nur Hingucker in der fünften Jahreszeit

Speicher/Mainz/Bexbach (dpa/lrs) - Karnevalsorden gehören zur närrischen Zeit wie Kostüme, Kamelle und Krapfen. An bunten Kordeln um den Hals tragen Narren den metallenen Bilderschmuck stolz durch die fünfte Jahreszeit. Die meisten bekommen ihn als Auszeichnung für ihren närrischen Einsatz, manche kaufen ihn beim Fastnachtsverein. Kein Orden ist wie der andere: Sie sind rund oder eckig, bunt oder grau - mit funkelnden Steinen, Schrift, Wappen oder Bildern verziert.

«Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt», sagt Lisa Stutzenberger von der Firma Stuco Metall, die im Jahr rund 150 000 Orden herstellt. Neu im Trend seien Exemplare in Neonfarben, die auch nachts leuchteten. Oder Orden, die man auch anstecken könnte. Denn manche Jecken hätten ein Platzproblem, weil sie mehrere Orden um den Hals trügen. Ohnehin ließen sich etliche Vereine «den großen Orden auch klein als Pin zum Anstecken» fertigen, sagt sie im Eifelort Speicher.

Narrenkappen, Rathäuser und Prinzenpaare seien immer wieder gerne genommene Motive. Der Geschmack sei aber regional verschieden, sagt die Fachfrau. Im Kölner Raum seien die Orden «eher goldfarbig und prunkvoll» mit besonderen Elementen. In Norddeutschland und im Osten lege man viel Wert auf Reliefs und Details «in Antiktönen». Und in Süddeutschland spielten Masken und Hexenfastnacht eine Rolle. Die Firma hat etliche Hundert Karnevals-Kunden. «Vom Allgäu bis Berlin, von Thüringen bis ins Rheinland», sagt Kollege Arno Junk. Und auch in den Hochburgen Köln und Fulda.

Karnevalsorden wichtig als Anerkennung

Fastnachts- oder Karnevalsorden seien bis heute ein wichtiges Symbol der Wertschätzung für die ehrenamtliche Arbeit in Vereinen, sagt der Präsident vom Bund Deutscher Karneval (BDK), Klaus-Ludwig Fess, im saarländischen Bexbach. «Wer ihn verliehen bekommt, ist in der Regel sehr stolz.» Klein, groß, mit Strasssteinen, in 3D oder mit Musik. Der Vielfalt der Orden sind keine Grenzen gesetzt - bis hin zu blinkenden Exemplaren, die den Mainzer Narrhalla-Marsch spielten. 

Auch wenn Vereine mal knapper bei Kasse seien - an den Orden wollten sie nicht sparen, sagt Fess. Klar sei aber, dass sich nicht jeder Verein einen Orden leisten könnte, der in der Produktion 30 bis 40 Euro koste. Nach Corona, wo es keine Veranstaltungen und keine Einnahmen gab, hätten etliche Vereine statt Orden auch mal Pins zum Anstecken gemacht. Der BDK steht für mehr 2,6 Millionen Mitgliedern in gut 5300 Vereinen.

Rund 200 Jahre Geschichte

Karnevalsorden seien vor rund 200 Jahren «als Persiflage auf den preußischen Ordenswahn beim Militär» entstanden, erläutert die Leiterin des Deutschen Fastnacht-Museum im bayerischen Kitzingen, Katrin Hesse. «Und dann sind die Narren selbst närrisch nach Orden geworden.» Orden seien heiß begehrt - vor allem wegen der damit verbundenen Ehrung. In der Nachkriegszeit hätten sie dann mit der industriellen Fertigung eine weite Verbreitung gefunden. 

Heute gebe es so viele, dass das Museum längst nicht alle, die Fastnachter kistenweise vorbeibrächten, lagern könne. «Wir haben schon Tausende Exemplare», sagt Hesse. Gesammelt würden nun nur noch die älteren Stücke bis in die 1950er Jahre plus Jubiläumsorden. «Aber nicht jeder Jahresorden.» 

Die karnevalistisch höchste Auszeichnung sei der Verdienstorden des BKD, sagt Fess. «Das ist bei uns so was wie das Bundesverdienstkreuz vom Bundespräsidenten.» Diesen Orden gebe es in Silber, in Gold und in Gold mit Brillanten - so um die 1500 Mal im Jahr. «Und da werden auch Leute aus der zweiten Reihe geehrt: Auch die, die Jahrzehnte Schnittchen geschmiert haben, Trainer oder Betreuer waren.» 

Einer der ersten Orden war aus Pappe

In der Geschichte könne man an den Orden die jeweiligen Konjunkturen ablesen, sagt der Leiter des Mainzer Fastnachtsarchivs, Michael Kläger. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es «nur extrem kleine Orden» gegeben. «Weil nichts da war.» Vor dem Ersten Weltkrieg dagegen «gab es teure und aufwendige Orden: Die tollsten, die ich aus der Zeit gesehen habe, sind fast so groß wie eine Pizza», sagt er. Von 1980 bis 2000 habe es wieder eine gute «Ordenskonjunktur» gegeben. «Und in letzter Zeit muss wieder gespart werden», sagt Kläger.

Zu den ausgestellten Orden im Mainzer Fastnachtsmuseum gehört auch eine Nachbildung eines besonderen Exemplars aus dem Jahr 1838: Es ist ein Orden aus Pappe, der erste des Mainzer Carnevals-Vereins (MCV). Heute seien Orden hauptsächlich aus Metall, selten auch aus Holz, wie etwa beim Verein «Kasteler Ratschenbande».

Originelle Spielereien

Zurück zu aktuellen Orden. Da gibt es auch immer wieder witzige Spielarten, wie einen Orden in Form eines Handspiegels, dessen Inneres man drehen kann. Oder digitale Orden, in die ein Chip eingebaut ist, über den man Aufnahmen vom Tag der Verleihung digital speichern kann. Über die Funktechnik NFC (Near Field Communication) könne man dann jederzeit mit seinem Handy die Aufnahmen am Orden abrufen, sagt Stuco Metall-Geschäftsführer Andreas Poth. «Das erspart einem auch Jahre später das lästige Suchen in der Bildergalerie.»

Die Orden für diese Session sind längst ausgeliefert. Hauptzeit der Produktion sei von Juni bis November, sagt Junk. Die Stücke in Speicher werden mit viel Handarbeit gefertigt: Vom Entwurf über die Gravur des Stempels und das Stanzen der Rohlinge bis hin zur galvanischen Veredelung und dem Bemalen. Und nach dem Orden ist vor dem Orden: «Wir haben jetzt schon Anfragen von Vereinen für die Session 2024/2025.»


Foto: Harald Tittel/dpa

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Datum: 07.02.2024
Rubrik: Kultur
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