
Sozialminister Schweitzer soll zu Dreyers Nachfolger gewählt werden
Schweitzer vor Wahl: «Ich bin ein bisschen angespannter als sonst»
Mainz (dpa/lrs) - Der Pfälzer Alexander Schweitzer wurde schon lange als möglicher Nachfolger von Malu Dreyer an der Spitze von Rheinland-Pfalz gehandelt - allerdings nicht als Einziger. Kurz nach der Europa- und Kommunalwahl war es überraschend schnell so weit: Die 63-jährige SPD-Politikerin kündigte nach elf Jahren ihren Rücktritt als Ministerpräsidentin an und stellte den 50 Jahre alten Minister für Soziales, Arbeit, Transformation und Digitalisierung als ihren Nachfolger vor.
Am kommenden Mittwoch soll der Landtag den 2,06 Meter großen Mann zum Regierungschef wählen, der auch lange an der Spitze der SPD-Fraktion stand. «Ich bin ein bisschen angespannter als sonst, konzentriert», sagte er der Deutschen Presse-Agentur vor der Wahl, die als Formsache gilt.
Schweitzer braucht 51 Stimmen
Schweitzer braucht für die Wahl des Ministerpräsidenten 51 Stimmen der 101 Abgeordneten. Die drei regierungstragenden Ampel-Fraktionen verfügen zusammen über 54 Stimmen - also 3 mehr als notwendig. Die SPD hat 39 Sitze, die Grünen 9 und die FDP 6. Zu Beginn zählte die zweite Ampel-Regierung 2021 noch 55 Abgeordnete. Andreas Hartenfels ist aber inzwischen aus der Grünen-Fraktion ausgetreten und nun einziges Landtagsmitglied des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in Mainz.
Ablauf des Rücktritts und der Neuwahl
Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) liest zunächst (etwa 13.00 Uhr) das Rücktrittsschreiben von Malu Dreyer vor. Anschließend sind kurze Ansprachen von Hering und Dreyer geplant. Die stärkste regierungstragende Landtagsfraktion - also die SPD - schlägt dann einen neuen Ministerpräsidenten vor. Rein theoretisch könnte auch noch ein anderer Kandidat als Schweitzer vorgeschlagen werden. Nach der geheimen Wahl und der Annahme der Wahl vereidigt der Landtagspräsident den neuen Ministerpräsidenten.
Neue Sozialministerin Schall wird vereidigt
Die Landtagssitzung wird danach unterbrochen und Dörte Schall (46) wird in der Staatskanzlei als Nachfolgerin Schweitzers zur Arbeits- und Sozialministerin ernannt. Die anderen Minister bleiben unverändert in ihren Ämtern. Die Juristin und Sozialpolitikerin aus der Pfalz lebt seit Jahren in Nordrhein-Westfalen und war zuletzt in Mönchengladbach Vertreterin des Oberbürgermeisters sowie stellvertretende SPD-Landesvorsitzende.
Wie viele Wahlgänge sind möglich?
Dreyer war bei ihren drei Wahlen zur Ministerpräsidentin immer auf Anhieb gewählt worden - und auch immer mit allen Stimmen ihrer Fraktion und der Koalitionspartner. Dabei hatte die erste Ampel 2016 nur eine Stimme mehr als erforderlich. Dreyers dritte und letzte Wahl fiel 2021 in die Corona-Pandemie, der Landtag kam dazu mit Abstandsregeln in der Rheingoldhalle zusammen.
Die Landesverfassung beinhaltet keine Regelungen für den Fall des Scheiterns der Wahl, wie der Landtag mitteilte. Sollte die erforderliche Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht werden, dürfte zunächst ein zweiter Wahlgang in Betracht gezogen werden, hieß es. Möglicherweise werde davor der Ältestenrat zusammenkommen.
Grund und Zeitpunkt von Dreyers Rücktritt
Der Zeitpunkt des völlig selbstbestimmten Rücktritts von Dreyer gilt als optimal. Als Grund hatte sie angegeben, dass ihr die Kraft für die Aufgaben ausgehe. «Meine Akkus laden sich nicht mehr so schnell auf», sagte Dreyer, die seit Jahren an Multipler Sklerose erkrankt ist.
Schweitzer hat nun noch Zeit genug, sich im Amt des Ministerpräsidenten bis zur nächsten Landtagswahl 2026 bekannt zu machen und bei den Wählern zu punkten. Zugleich verjüngt sich auch die Parteispitze: Auf Roger Lewentz (61) soll Sabine Bätzing-Lichtenthäler (49) folgen.
Erwartungen an Schweitzer
Es wird erwartet, dass der begabte Rhetoriker Schweitzer pointierter Stellung zu politischen Themen nehmen wird als Dreyer - auch zu bundespolitischen. Er gilt in der Partei als bestens vernetzt, hat gute Drähte in die Berliner SPD und gehört dem Parteivorstand der Bundespartei seit 2017 an. Nun muss sich angesichts des Umfragetiefs der Kanzlerpartei SPD aber auch gegen den bundespolitischen Gegenwind stemmen. Das gilt umso mehr, als die Bundestagswahl 2025 voraussichtlich nur etwa ein halbes Jahr vor der Landtagswahl sein wird.
Der charmante Hoffnungsträger der Partei wird es nicht leicht haben, ähnlich viel Sympathie bei den Rheinland-Pfälzern zu ernten wie seine über Parteigrenzen hinaus beliebte Vorgängerin, die auch die erste Frau an der Spitze des Bundeslandes war. Schweitzer wird jedoch - anders als Dreyer und der scheidende SPD-Chef und ehemalige Innenminister Roger Lewentz - nicht mit der Ahr-Flutkatastrophe in Verbindung gebracht, bei der im Sommer vor drei Jahren 135 Menschen ums Leben kamen.
Und er selbst ist zuversichtlich «Ich bin Kurt Beck und zweimal Malu Dreyer nachgefolgt. Ich kenne das Schicksal und gehe souverän damit um», sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Von Beck hatte er 2016 den Wahlkreis Südliche Weinstraße übernommen und von Dreyer vor der Regierungsspitze 2013 das Sozialministerium.
Die Zukunft der Ampel-Regierung
Schweitzer will weiter mit der Ampel regieren, am liebsten auch nach der Landtagswahl 2026. Für den Erfolg der rheinland-pfälzischen Koalition aus SPD, Grünen und FDP stand Dreyer mit ihrem Kommunikationsstil. «Malu Dreyer ist auch ein Vorbild, was die Kommunikation angeht», sagte Schweitzer dazu. «Ich bin sehr schnell auf die Koalitionspartner zugegangen und habe gesagt, lasst uns genauso weiter machen wie bisher, und über alles sprechen, fair und auf Augenhöhe», erzählte Schweitzer. «Wir behalten auch alle etablierten Gesprächsformate und sogar die Uhrzeiten dafür bei.»
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