Freie Wähler wollen ab 2026 mitregieren

Das neue Führungsduo hat sich ambitionierte Ziele gesetzt

Freie Wähler wollen ab 2026 mitregieren

Mainz (dpa/lrs) - Die Freien Wähler wollen nach der Landtagswahl 2026 in Rheinland-Pfalz mitregieren. «Wir liegen stabil bei sieben Prozent», sagte der neue Fraktionsvorsitzende Helge Schwab im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Dabei sei den Freien Wählern (FW) in Rheinland-Pfalz - wie in Bayern - die Union näher als die SPD. «Ich bin der absolute Nicht-Grüne», betonte Schwab. 

«Ich kann mir im demokratischen Spektrum aber so ziemlich alles vorstellen.» Mit extremistischen Parteien - rechts und links - arbeiteten die Freien Wähler nicht zusammen, sagte Schwab, ohne die AfD oder eine andere Partei beim Namen zu nennen. 

Die Freien Wähler sind 2021 erstmals in den rheinland-pfälzischen Landtag eingezogen und stellen - wie die kleinste Regierungspartei FDP - sechs Abgeordnete. Der bisherige Fraktionschef und ehemalige Landrat Joachim Streit ist ins EU-Parlament gewählt worden. Sein Nachfolger ist Schwab. Neu in der Fraktion ist der bisherige Bürgermeister der Verbandsgemeinde Birkenfeld, Bernhard Alscher. Den Posten des Parlamentarischen Geschäftsführers (PGF) übernimmt Lisa-Marie Jeckel vom Landesvorsitzenden Stephan Wefelscheid, der eigentlich hatte Streit auch an der Fraktionsspitze nachfolgen wollen. 

Schwab über Aiwanger: «Wir sind alle Alpha-Tierchen»

Den Bundesvorsitzenden der Freien Wähler und bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kenne er schon seit fast 14 Jahren, sagte Schwab. Aiwanger sei ein «brillanter Redner» und «richtiger Bauchpolitiker», der seine Reden nicht vorbereite. «Er spricht die Sprache der Menschen und haut dabei auch mal einen raus.» Er habe Aiwangers Handynummer und sei auch für ihn immer erreichbar. Aber: «Wir sind alle Alpha-Tierchen», betonte der Soldat Schwab. «Wir kämpfen in einer Einheit für die gleichen Inhalte.» 

«Die Freien Wähler sind eine Tochter der FWG (freien Wählergemeinschaften)», sagte Schwab, der der Landesvorsitzende dieses Zusammenschlusses von mehr als 15 000 Mitgliedern ist. Es gebe Strömungen in der FWG, die niemals eine Partei sein wollten - und dies sei auch lange seine Einstellung gewesen. Aber schon mit Blick auf die Finanzierung hätten viele erkannt, dass eine Partei Vorteile habe. «Ziel ist es, irgendwann eins zu sein», sagte Schwab über FWG und die FW. Erste Verschmelzungen gebe es bereits etwa in der Eifel und in Kaiserslautern. 

Ex-Soldat Schwab sagt: «Ich weiß, wie Führung geht»

«Ich weiß, wie Führung geht», sagte der 52-Jährige über seine neue Aufgabe. Bis zu seinem Einzug in den Landtag 2021 war er 31 Jahre Soldat und habe auch Führungsverantwortung gehabt, zudem sei er ausgebildeter Presse- und Personalstabsoffizier. Als Nachfolger von Joachim Streit an der Fraktionsspitze werde er zunächst dessen bisherige Aufgaben verteilen, eine Dienstordnung erstellen sowie Themen und Aufgaben klar zuordnen. «Das Schiff bleibt auf Kurs. Nur der Kapitän und der erste Offizier haben gewechselt», beschrieb er die Ausrichtung. 

Der erste Offizier ist die neue Parlamentarische Geschäftsführerin (PGF) Jeckel. Die 30 Jahre alte Juristin aus dem Rhein-Lahn-Kreis gehört zu den jüngsten Parlamentariern in Mainz und ist die einzige Frau in der Fraktion. Diese Rolle kenne sie seit Kindertagen. 

«Ich war mit sechs Jahren in der Schach AG und alle anderen waren älter und Jungs.» Im Alter von 16 habe sie ein Pferd bekommen und sich als Mädchen unter vielen männlichen Reitern im Stall behaupten müssen. «Ich bin es gewohnt, viel von Älteren gesagt zu bekommen. Ich höre genau zu und bilde mir meine eigene Meinung», berichtete Jeckel. «Der Umgang im Landtag ist insgesamt sehr respektvoll.» 

Jeckel gehört zu den jüngsten Landtagsabgeordneten 

Für die Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre sei ihre Fraktion - anders als die Ampel-Parteien - aber nicht. «Das Wahlalter ist an die Volljährigkeit geknüpft.» Und es sei schwierig, wenn junge Menschen erst mehr Rechte und später mehr Pflichten bekämen. Die Freien Wähler seien für einen ganzheitlichen Ansatz, der in der Diskussion um die Herabsetzung der Volljährigkeit abgebildet werde. 

Dass es bei den FW so wenig Frauen gebe, hänge damit zusammen, dass der Anteil der Berufspolitiker geringer sei als in anderen Parteien. Viele Frauen fänden dafür zwischen Job und Kindern einfach keine Zeit, sagte Jeckel. Aber auch in anderen Parteien seien Frauen unterrepräsentiert. Vielen liege es anders als Männern nicht, «sich im Parlament bis aufs Blut in der Sache zu streiten und danach gemeinsam essen oder ein Bier trinken zu gehen», meint Schwab. 

Schwab will sich um Finanzen kümmern und Gesundheit abgeben 

Der gelernte Erzieher, der im Kreis Kusel in der Pfalz lebt und als Soldat viele Jahre im Auslandseinsatz war - von Ex-Jugoslawien über Afghanistan, Usbekistan, die Demokratische Republik Kongo bis nach Gabun -, will als Fraktionschef die Themen Finanzen, Bildung, Landwirtschaft und Weinbau übernehmen. Seine Frau habe seit kurzer Zeit einen Obstbaubetrieb im Nebenerwerb. Das Thema Gesundheit werde er abgeben.  

Der verheiratete Vater eines erwachsenen Sohns bezeichnet sich selbst als «einen sehr gläubigen Menschen». Kommunalpolitik war dem evangelischen Christen in die Wiege gelegt und trotzdem wollte er jahrzehntelang damit eigentlich nichts zu tun haben. 

Sein Vater sei in seinem Heimatort Ittlingen in Baden-Württemberg (Kreis Heilbronn) ein bekannter CDU-Politiker gewesen - und er selbst «immer nur der Sohn vom Wilhelm» gewesen. Seine Karriere bei der Bundeswehr und den Freien Wählern schildert er so: «Das war alles Zufall, oder ich wurde gefragt, und ich kann so schlecht "nein" sagen.» Dass ihn die Fraktion zum Nachfolger von Streit wählen würde, sei ihm zu Beginn der Sitzung auch noch nicht klar gewesen. 

Der Wahl-O-Mat hat Juristin Jeckel überzeugt 

Auch Jeckels Mutter war in der Kommunalpolitik aktiv, ebenfalls bei den Freien Wählern in Rheinland-Pfalz. Jeckel wurde im hessischen Weilburg geboren, lebte in Limburg und siedelte kurz vor ihrem Parteieintritt Ende 2019 nach Rheinland-Pfalz in ihren Wahlkreis Rhein-Lahn um. Das Engagement ihrer Mutter habe sie aber nicht so sehr geprägt, wie der Wahl-O-Mat zur hessischen Landtagswahl 2018, der bei ihren Antworten eindeutig Freie Wähler als passende Partei ausgegeben habe. 

Um nicht von der Politik abhängig zu sein, legte sie im Landtagswahlkampf für die Freien Wähler in Rheinland-Pfalz 2021 ihr erstes Staatsexamen ab, das zweite folgte kürzlich - schon als Landtagsabgeordnete. 

Kommunale Finanzen bleibe der Schwerpunkt der Fraktion, sagt Jeckel. «Wir verstehen uns weiterhin als verlängerter Arm der Kommunen.» Sie persönlich wolle sich auch als PGF weiter für die Themen Digitalisierung, Tierwohl und Kinderschutz einsetzen.

Foto: Torsten Silz/dpa

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Datum: 23.07.2024
Rubrik: Politik
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