Übergangsgeld für Ex-Regierungsmitglieder - es gibt Gründe dafür

Ministerjob müsse ein Stück weit attraktiv sein

Übergangsgeld für Ex-Regierungsmitglieder - es gibt Gründe dafür

Mainz (dpa/lrs) - Tritt ein Minister in Rheinland-Pfalz von seinem Amt zurück, bekommt er keine Amtsbezüge mehr. Geld erhält er aber dennoch eine Zeit lang weiter, das sogenannte Übergangsgeld - und zwar für maximal drei Jahre. Das ist länger als in anderen Bundesländern und im Bund, was angesichts zweier konkreter Fälle - namentlich die Ex-Minister Anne Spiegel (Grüne) und Roger Lewentz (SPD) - für Diskussionen sorgt. Zu beachten ist aber, dass das Übergangsgeld einen gewissen Zweck erfüllen soll. 

Das Übergangsgeld für ausgeschiedene Regierungsmitglieder diene der Sicherstellung der Unabhängigkeit der Regierungsmitglieder, argumentiert die Staatskanzlei in Mainz. «Durch die Gewährung einer begrenzten Übergangsversorgung im Anschluss an die Amtszeit ist ein unmittelbarer Wechsel ehemaliger Regierungsmitglieder in Beschäftigungsverhältnisse in der freien Wirtschaft zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erforderlich. Dadurch würden auch mögliche Interessenkonflikte vermieden.

Kritik vom Bund der Steuerzahler

Geregelt ist das Ganze im Landesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Landesregierung Rheinland-Pfalz, auch Ministergesetz genannt. Dort heißt es in Paragraf 11: «Ein ehemaliges Mitglied der Landesregierung erhält von dem Zeitpunkt an, in dem seine Amtsbezüge aufhören, Übergangsgeld.» Das werde für die gleiche Anzahl von Monaten gezahlt, für die der oder die Berechtigte ohne Unterbrechung Amtsbezüge als Mitglied der Landesregierung erhalten hat, jedoch mindestens für sechs Monate und höchstens für drei Jahre. Im Bund und bei der Mehrzahl der Bundesländer liegt die maximale Bezugsdauer bei zwei Jahren, wie auch die Staatskanzlei in Mainz bestätigt. 

Dem Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz ist die Regelung im Land ein Dorn im Auge. Mit Blick auf den Fall der früheren rheinland-pfälzischen Integrations- und Umweltministerin Anne Spiegel sagt Geschäftsführer René Quante, es sei weder angemessen noch öffentlich vermittelbar, dass noch Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Ministeramt annähernd 8.500 Euro ohne jegliche Gegenleistung gezahlt würden. Das Mindeste, was die Ampel-Regierung tun könne, sei, die Bezugsdauer bei zwei Jahren zu deckeln. 

«Doch wenn man ehrlich ist, ist selbst das zu üppig bemessen», moniert Quante. Vielmehr sollte die Zahlung auf maximal zwölf Monate nach dem Ausscheiden begrenzt werden. Und bei extrem kurzen Amtszeiten sollte eine Monatszahlung nicht überschritten werden, findet er. «Angesichts der beruflichen Erfahrung, persönlichen Verbindungen und finanziellen Möglichkeiten sollte man erwarten können, dass ein Ex-Minister in der Regel nach einem Jahr wieder auf eigenen Beinen stehen kann, ohne eine "Prämie fürs Nichtstun" vom Steuerzahler zu kassieren.»

Politikwissenschaftler: Ministerjob muss ein Stück weit attraktiv sein

Das sieht Jens Borchert, Politikwissenschaftler an der Goethe-Universität in Frankfurt, etwas anders. Es sei längst nicht immer so, dass aus der Politik ausscheidende Menschen sofort in Unternehmen heiß begehrt seien. «Politiker haben per se den Geruch des Unpopulären und Kontroversen», sagt Borchert. «Manches Unternehmen will sich das nicht ins Haus holen. Das kann eine Karrierebremse sein.»

Für Borchert sprechen mehrere Gründe für ein Übergangsgeld. Damit werde der anspruchsvolle und mit viel Rampenlicht verbundene Beruf des Ministers attraktiver gemacht, was helfe, geeignetes Personal zu finden. Außerdem werde verhindert, dass Minister mit einem Rücktritt finanziell ins Bodenlose fielen und dass sie aus Angst vor existenzieller Not unnötig lange an ihrem Amt klebten. Das könne nicht im Interesse der Allgemeinheit sein. «Das Loslassen fällt leichter, wenn damit nicht auch noch materielle Nöte verbunden sind.»

Das Übergangsgeld sei auch ein Mosaikstein gegen den Drehtüreffekt, sagt Borchert, also einen schnellen Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft, oftmals genau in die Branchen, für die zuvor politische Verantwortung getragen wurde. Als Negativbeispiele nennt Borchert den Posten von Altkanzler Gerhard Schröder im Gazprom-Aufsichtsrat oder den Fall von Martin Bangemann. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister von der FDP gestaltete als EU-Kommissar bis 1999 den Europäischen Binnenmarkt, die EU-Industriepolitik, die europäische Informationsgesellschaft und die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte mit und wechselte 1999 dann aus der Europapolitik direkt als Berater zum spanischen Telekommunikationskonzern Telefónica, was auf scharfe Kritik stieß. «Das sind Sachen, die man verhindern will», sagte der Politikwissenschaftler. 

Staatskanzlei verweist auf strengere Regeln beim Ruhegeld 

Das Übergangsgeld sei auch eine Art Schmerzensgeld für den aufreibenden Job in einer Regierung. Borchert verweist darauf, dass Rheinland-Pfalz mit einer maximalen Bezugsdauer von drei Jahren nicht allein dastehe, das gebe es auch in anderen Bundesländern. 

Die Staatskanzlei bringt in ihrer Argumentation noch etwas anderes ins Spiel: Abseits vom Übergangsgeld seien die rheinland-pfälzischen Regelungen zum Anspruch auf Ruhegeld für ehemalige Regierungsmitglieder zum Teil deutlich restriktiver als im Bund und in anderen Ländern. Regierungsmitglieder hierzulande hätten erst nach fünf Jahren überhaupt einen Anspruch darauf, bei kürzeren Mindestamtszeiten in zwölf Bundesländern und dem Bund. 

Ehemalige Regierungsmitglieder in Rheinland-Pfalz könnten grundsätzlich erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze, frühestens ab dem 62. Lebensjahr, Ruhegehalt beziehen. Dem gegenüber gewährten sieben Bundesländer grundsätzlich und teils deutlich vor Erreichen der Altersgrenze Ruhegehalt. Neun Länder und der Bund sähen den frühestmöglichen Bezug schon zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr vor, ein Land kenne gar keine Untergrenze. 

«Da das Ruhegehalt anders als das Übergangsgeld zeitlich nicht begrenzt ist, sondern lebenslang gezahlt wird, übersteigen die Kosten der dargestellten Regelungen die in Rheinland-Pfalz für Übergangsgelder anfallenden Kosten um ein Vielfaches», erklärt die Staatskanzlei. Insgesamt werde daher keine Notwendigkeit gesehen, die Regelungen zum Übergangsgeld anzupassen. 

 

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Datum: 12.08.2024
Rubrik: Politik
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