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Wie rein ist der Rhein? - Ein Fluss unter Dauerbeobachtung
Worms (dpa) – Rhein-Kilometer 443,3, direkt an der Nibelungenbrücke: Hier steht seit 30 Jahren eins der wichtigsten Kontrollzentren für den Rhein - die Rheingütestation Worms, Gemeinschaftsprojekt gleich dreier Bundesländer. Seit Mai 1995 entnimmt ein automatisches System rund um die Uhr Wasser aus Deutschlands längstem Fluss. Was hier gemessen wird, ist weit mehr als pH-Wert und Temperatur. Mikroverunreinigungen, Schwermetalle, Arzneimittelreste - was in den Fluss gerät, landet früher oder später in der Wormser Datenbank.
Anlass zur Gründung war eine Katastrophe: Nach einem Brand bei der Firma Sandoz in der Schweiz gelangten 1986 rund 20 Tonnen Chemikalien mit dem Löschwasser in den Rhein, darunter 2,6 Tonnen Quecksilber. Die Giftwalze schwappte nach Norden, Hunderte Tonnen Fische und andere Flussbewohner verenden. Nach diesen Erfahrungen wurde die Station so platziert, dass sie rheinabwärts von größeren Betrieben wie dem Chemiekonzern BASF steht.
Wie der Rhein lernte, sich zu schützen
Die Erkenntnis, dass Flüsse keine Grenzen kennen, Schadstoffe aber auch nicht, ist nicht neu. Doch seit dem Chemiebrand 1986 ist sie auch politisches Programm. Und so wurde seinerzeit von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz beschlossen: Worms braucht eine Station. Denn Vertrauen ist zwar gut, aber Messen ist besser.
«Gewässergütemessstationen sind Frühwarnsysteme», sagt Dr. Daniel Schwandt von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. «Sie helfen, Belastungen in Flüssen sowohl kurzfristig als auch über viele Jahre hinweg zu erkennen.» Dafür gibt es ein ganzes Netzwerk an Stationen, die rund um die Uhr messen – ergänzt durch Stellen, an denen Proben genommen werden. «So behalten wir die Wasserqualität flussgebietsweit und international im Blick.»
Ein Beispiel dafür ist der Rhein. «Das Messprogramm der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gibt es seit 1953», erzählt Schwandt. Ab den 1970ern kamen automatische Messstationen dazu. Damals war das mehr als nötig: «In den 50er- und 60er-Jahren hat die industrielle Entwicklung den Rhein stark belastet – durch Abwässer aus Fabriken, Bergbau und wachsende Städte.» Der Höhepunkt dieser Verschmutzung war in den 70er-Jahren erreicht.
Vertrauen ist gut – Messen ist besser
«Aber es hat sich viel getan», sagt Schwandt. «Durch das Abwasserabgabengesetz wurden viele Kläranlagen gebaut – zum Beispiel bei BASF. Dazu kamen internationale Vereinbarungen wie der Chlorid-Vertrag und technische Umstellungen in der Industrie, etwa bei der Papierherstellung.»
Heute geht es beim Messen nicht nur um klassische Schadstoffe wie Schwermetalle oder Salze. «Immer wichtiger werden Spurenstoffe – also Arzneimittelreste, Pestizide oder Industriechemikalien.» Auch Nährstoffe und der Sauerstoffgehalt spielen nach wie vor eine große Rolle.
«An unseren Messstationen in Koblenz – am Rhein und an der Mosel – betreiben wir zusätzlich sogenannte Non-Target-Analytik», sagt Schwandt. «Das heißt: Wir erfassen auch Stoffe, die wir gar nicht gezielt gesucht haben. So können wir im Nachhinein analysieren, was im Wasser war – das ist extrem wertvoll.»
Gesundheitsakte eines Flusses
Was in Worms im Mai 1995 als Gemeinschaftsprojekt dreier Bundesländer begann, wurde schnell zu mehr. Zwischen 1998 und 2011 war die Station auch «Gütestelle Rhein» - eine Art Zentrale für die Datensynthese aller wichtigen Messstellen im deutschen Rheingebiet.
Die Station ist technisch zweigeteilt: oben der renovierte Nibelungenturm mit Entnahmeeinheit, unten ein modernes Labor mit GC/MS-Analyse. Hier stehen Massenspektrometer und Gaschromatographen - Hightech zur Gewissheitssicherung. Die Brücke selbst dient als stabile Plattform zur Wasserentnahme über die ganze Flussbreite.
Die Rheingütestation ist heute nationale Hauptmessstelle im internationalen Rheinmessprogramm Chemie, das die Wasserqualität im Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie überwacht. Sie ist Trendstation, Frühwarnsystem und Qualitätsgarant. Geprüft wird, ob flussaufwärts etwas schiefgelaufen ist. Wenn das System Alarm schlägt - was selten, aber nie ausgeschlossen ist -, schrillen Telefone in Mainz, Wiesbaden und Stuttgart.
Mehr als pH und Temperatur
Ein Blick auf die Homepage der Station zeigt: Die wichtigsten Parameter sind öffentlich. Transparenz gehört zum Konzept. Bürgerinnen und Bürger können verfolgen, wie sich Temperatur, Leitfähigkeit oder Nitratwerte entwickeln.
Die Fortschritte sind messbar: Der Rhein ist längst sauberer als in den 1980ern. Wanderfische kehren zurück, sensible Arten siedeln sich an. Doch neue Gefahren zeichnen sich ab: Mikroplastik, per- und polyfluorierte Chemikalien, Antibiotikarückstände. Die Herausforderung bleibt - auch in Worms.
Die drei Bundesländer würdigen das 30-jährige Jubiläum mit einem gemeinsamen Besuch. Am (heutigen) Mittwoch werden die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) sowie ihre baden-württembergische Amtskollegin Thekla Walker (Grüne) und der hessische Umweltstaatssekretär Michael Ruhl (CDU) in Worms erwartet. Nach den politischen Gesprächen soll die Rheingütestation auch für Bürgerinnen und Bürger geöffnet werden.
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