Radikalisierung im Kinderzimmer

Vermischtes

Radikalisierung im Kinderzimmer

Mainz (dpa/lrs) - Jugendliche werden von Rechtsextremisten und Islamisten immer mehr über soziale Netzwerke, Messengerdienste und Videoplattformen radikalisiert. Der Verfassungsschutz registriere seit einigen Jahren eine steigende Zahl dieser Fälle, sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) bei der Präsentation des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzberichts für 2024. 

Die teils noch sehr jungen Menschen würden durch die Online-Radikalisierung dann selbst zu Multiplikatoren extremistischer Ideologie. Der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium, Elmar May, sprach von einer Radikalisierung im Kinderzimmer. 

Vor welchen Extremisten wir am meisten gewarnt?

Die stärkste Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung in Rheinland-Pfalz geht vom Rechtsextremismus und Islamismus aus. Das rechtsextremistische Personenpotenzial im Land ist abermals leicht gewachsen und beläuft sich inzwischen auf knapp 800 Personen. Darunter fallen 160 gewaltorientierte Menschen.

Wo werden die meisten Aktivitäten Rechtsextremisten registriert?

Zu den Regionen, in denen Rechtsextremisten vergleichsweise stark in Erscheinung treten, zählen Teile die Pfalz und der Westerwald. Verglichen mit anderen Bundesländern ist Rheinland-Pfalz nach Angaben der Sicherheitsbehörden kein rechtsextremistischer «Hotspot».

Wie viele Straftaten werden der rechten Szene zugerechnet?

Die Gesamtzahl der politisch motivierten Kriminalität ging um 26 Prozent im Jahresvergleich auf 2.532 Taten nach oben. Nach Angaben des Leiters der Abteilung Verfassungsschutz entspricht das einem neuen Höchststand seit dem Jahr 2001. 

Rechtsmotivierte Delikte haben dabei den Hauptanteil an der Gesamtzahl ausgemacht. Mit 1.471 (plus 18 Prozent) Taten wurde ebenfalls ein neuer Höchststand seit 2001 registriert.

Netzwerke und AfD

Der Innenminister betonte bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts, dass die AfD keine Partei wie jede andere sei. Unter den Kandidaten für die Kommunalwahl 2024 hätten sich Personen befunden, die bereits Mitglied in anderen rechtsextremistischen Gruppierungen gewesen seien - etwa der Jungen Alternative, der Identitären Bewegung und der Revolte Rheinland. Immer stärker vernetze sich die AfD mit Akteuren der Neuen Rechten. 

Warum wird der Islamismus als höchst gefährlich eingestuft?

Der Gazakrieg sorgte nach Erkenntnissen der Sicherheitsexperten für eine anhaltend hohe Emotionalisierung der Szene. Vor allem online oder als Teilnehmer propalästinensischer Demonstrationen hätten Islamisten ihren Unmut über die Lage im Gazastreifen kundgetan. Wieder verstärkt in den Fokus sei dabei der jihadistische Terrorismus gerückt. 

Von ihm gehe weiterhin nicht nur eine hohe abstrakte Gefahr aus, betonte der Innenminister. Terroristische Taten und Vorbereitungshandlungen im Bundesgebiet hätten 2024 verdeutlicht, wie nah die Gefahr immer noch sei. Ebling verwies in dem Zusammenhang auf den Fall eines Jugendlichen aus dem Landkreis Mainz-Bingen wegen des dringenden Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat.

Wie viele Personen hat der Verfassungsschutz im Blick?

Dem Islamismus werden in Rheinland-Pfalz rund 690 Personen (2023: rund 700) zugerechnet, davon wie im Vorjahr rund 65 gewaltorientierte Menschen. Geografische Schwerpunkte lassen sich in Mainz, Ludwigshafen am Rhein sowie im nördlichen Landesteil in der Region Koblenz/Neuwied ausmachen.

Bleibt der Linksextremismus eine Gefahr?

Wichtigste Aktionsfelder der konstant rund 490 Linksextremisten in Rheinland-Pfalz sind im vergangenen Jahr der Antifaschismus und die Palästina-Solidarität geblieben. Ihre Mobilisierungsfähigkeit und Gewaltorientierung blieben im Bundesvergleich auf niedrigem Niveau. Gleichbleibend rund 120 Personen werden als gewaltorientiert eingestuft. Der Verfassungsschutz behalte die Szene aber im Blick, versicherte der Innenminister. 

Die Reichsbürgerszene

Die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter weist laut Bericht das größte Personenpotenzial auf. Im Berichtsjahr stieg es weiter an auf nunmehr 1.100 Personen (Vorjahr 1.050). Das Spektrum, das seit November 2016 von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird, sei sehr heterogen und bestand hauptsächlich aus Einzelpersonen ohne jeglichen Organisationsbezug. 

«Es herrschen ein hohes Maß an Aggressivität und eine ausgeprägte Waffenaffinität.» Vorrangiges Ziel der Verfassungsschutzbehörde bleibe daher, zur konsequenten Entwaffnung der Szene beizutragen, sagte Ebling.

Gibt es Bedrohungen aus dem Ausland?

Fremde staatliche Mächte setzen nach dem Bericht vor allem auf hybride Strategien, bei denen die Instrumente der Spionage, Sabotage, Proliferation und Cyberangriffe zum Einsatz kommen. Hinzu komme die Verbreitung von Desinformation. Insbesondere von Russland gingen aktuell solche Angriffe aus. Potenzielle Ziele in Rheinland-Pfalz seien militärische Liegenschaften, kritische Infrastrukturen und Wirtschaftsunternehmen.

Welche Forderungen leitet die Gewerkschaft der Polizei ab?

Da die Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung weiter zunimmt, müssten Sicherheitsbehörden in der Lage sein, diesen Gefahren wirksam zu begegnen, mahnt die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Rheinland-Pfalz, Aline Raber. Dazu seien mehr Personal, klare gesetzliche Befugnisse und eine bessere technische Ausstattung nötig.

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Datum: 05.06.2025
Rubrik: Vermischtes
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