
Regierung bewertet Modellprojekte für Wohnungslose positiv
Finnland sorgte einst mit einer sehr konsequenten Umsetzung des Housing-First-Ansatzes für Aufsehen. In Rheinland-Pfalz wird das Konzept schon länger bei Obdachlosen erprobt. Wie läuft es?
Mainz (dpa/lrs) -
Mit dem international bekannten Housing-First-Ansatz sollen auch in Rheinland-Pfalz wohnungslose Menschen wieder eine eigene Bleibe bekommen - zumindest im Rahmen von inzwischen fünf Modellprojekten. Deren bisherigen Verlauf bewertet die Ampel-Landesregierung positiv, wie aus einer Antwort des Sozialministeriums auf eine Anfrage aus der FDP-Fraktion hervorgeht. FDP-Fraktionschef Steven Wink kann sich noch mehr vorstellen.
Bei 80 Prozent der Teilnehmer an den Modellprojekten sei erreicht worden, dass der Wohnraum zunächst gesichert sei. Auch habe sich die Teilnahme positiv auf die Gesundheit ausgewirkt - in psychischer wie physischer Hinsicht und mit Blick auf Süchte. Den Menschen sei geholfen worden, wieder mehr Struktur in ihre Tage zu bekommen. «Die modellhafte Erprobung wird daher fortgesetzt», so das Sozialministerium.
Landesförderung wurde aufgestockt
Beim Housing-First-Ansatz wird Menschen, die seit längerer Zeit ohne Wohnung sind, eine solche quasi ohne große Vorbedingungen zur Verfügung gestellt. Es geht also nicht darum, zunächst alle anderen Probleme der wohnungslosen Menschen aus dem Weg zu räumen. Vielmehr soll eine eigene Wohnung bei der Bewältigung anderer Probleme helfen.
In Rheinland-Pfalz unterstützt das Land seit 2023 drei Modellprojekte in Landau, Koblenz und dem Westerwaldkreis sowie seit einer zweiten Förderrunde im Winter 2024/25 zwei weitere Projekte in Zweibrücken und Neuwied. 2023 belief sich die Landesförderung den Angaben zufolge auf insgesamt 247.000 Euro, 2024 auf 343.000, für das laufende Jahr sind 492.000 Euro geplant.
Forderungen nach Ausweitung
FDP-Fraktionschef Wink ist dafür, das Programm aus der reinen Projektförderung herauszulösen, eine Finanzierung dauerhaft zu sichern und es in weiteren Regionen einzuführen. «Der bisherige Erfolg spricht klar dafür, diesen Weg zu gehen», sagte er. Das Projekt «Housing First» habe sich in der Wohnungslosenhilfe besonders bewährt, unterstütze Betroffene konkret und wirksam. «Sozialpolitik wird viel zu oft allein über die Höhe staatlicher Transferleistungen definiert», beklagte Wink. Das sei bedauerlich.
Der Sozialverband VdK in Rheinland-Pfalz plädiert für eine konsequente Umsetzung des Housing-First-Prinzips in allen Kommunen, flankiert von mehr Investitionen in bezahlbaren Wohnraum. Wichtig sei, die Projekte finanziell und personell so auszustatten, dass sie wirken könnten.
Menschen schutzlos auf der Straße
Auch der Verein «Armut und Gesundheit in Deutschland» mit Sitz in Mainz hält den Housing-First-Ansatz für genau richtig. «Beim Leben auf der Straße sind die Menschen Zuständen ausgesetzt, die es ihnen unmöglich
machen, sich um ihre Probleme zu kümmern», sagte Sebastian Schink, Arzt bei dem Verein. «Sie haben keine Meldeadresse, keine digitalen
Endgeräte oder keinen Strom dafür.» Private Gegenstände würden oft gestohlen, sie erlebten schlaflose Nächte, seien Gewalt, Lärm, Hitze, Kälte oder Nässe schutzlos ausgesetzt.
«Die psychische wie physische Gesundheit leidet darunter sehr – obdach- und wohnungslose Menschen sind deutlich häufiger von Krankheit betroffen als andere», sagte Schink. «Armut und Gesundheit» arbeitet mit sogenannten Genesungszimmern und -wohnungen. Diese ähnelten Housing First sehr. Daher sei der Verein von den positiven Erfahrungen der Modellprojekte nicht überrascht, sagte Marius Schäfer, Leiter der Genesungszimmer.
Entsprechend plädiert auch «Armut und Gesundheit» dafür, Housing First im Land zu verstetigen und deutlich auszubauen. «Housing First darf nicht länger als wohlwollendes Experiment betrachtet werden, sondern muss zur
verbindlichen Landesstrategie werden.»
Zielgruppe hat oft «vielfältige psychosoziale Problemlagen»
Das Angebot der Modellprojekte richtet sich an erwachsene Langzeit-Wohnungslose, wie das Sozialministerium erklärte. Charakteristisch für die Zielgruppe seien «vielfältige psychosoziale Problemlagen». Häufig seien gravierende gesundheitliche Probleme, etwa Suchtverhalten, chronische Erkrankungen, Überschuldung, Langzeitarbeitslosigkeit oder psychiatrische Krankheitsbilder.
In bestehende Modellprojekte aufgenommen wurden laut Ministerium bislang insgesamt 63 Menschen, auf den Wartelisten der Projektträger seien weitere 59. Ein Problem, mit dem die Projektträger zu kämpfen haben, ist demnach, verfügbare Wohnungen zu finden.
Der VdK mahnte, nicht den ländlichen Raum zu vergessen. Bislang konzentrierten sich die Modellprojekte überwiegend auf Städte. Klar sei, eine eigene Wohnung sei die Grundlage für Stabilität, Gesundheit und soziale Teilhabe. «Erst dann können weitere Hilfen erfolgreich greifen», betonte der Vorsitzende Willi Jäger.
dpa
Bild: Der Housing-First-Ansatz soll aus der Obdachlosigkeit herausführen und so zur Lösung anderer Probleme im Leben beitragen. (Archivbild) | Paul Zinken/dpa
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