Grundsteinlegung für die Evangelische  Kirche Oberlahnstein

Lahnstein hat Geschichte, Folge 723

Grundsteinlegung für die Evangelische Kirche Oberlahnstein

Parallel zur Einwohnerzahl wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch Lahnsteins evangelische Gemeinde rasant an, sodass sie 1871 bereits 700 Seelen zählte (Oberlahnstein hatte damals 4.200 und Niederlahnstein 2.500 Einwohner). Noch hatte sie kein eigenes Kirchengebäude und hielt seit 1861 regelmäßig Gottesdienst in der früheren Kapelle des Martinsschlosses ab. 1863 durfte die evangelische Gemeinde, die noch der Muttergemeinde Braubach unterstand, einen eigenen Kirchenvorstand stellen, der sich für einen Kirchenbau stark machte. Mit Einverständnis der herzoglich-nassauischen Landesregierung wurden die Kirchensteuern der evangelischen Einwohner von Nieder- und Oberlahnstein in einen Fonds für den Bau einer neuen Kirche überwiesen. 1869 wurde ein Bauplatz erworben.

Neben der vom Oberpräsident der Rheinprovinz genehmigten Hauskollekte und den Spenden prominenter Glaubensgenossen wie der preußischen Königin leisteten vor allem die Gustav-Adolf-Vereine finanzielle Unterstützung. Auf eine staatliche Zuwendung verzichtete die Gemeinde, weil das zuständige Ministerium die Baupläne für zu luxuriös hielt und mit Rücksicht auf die geringe Leistungsfähigkeit der Gemeinde anstelle des Glockenturmes nur einen kleinen Dachreiter genehmigen wollte. Das Gotteshaus der emporblühenden evangelischen Gemeinde sollte inmitten einer katholischen Umgebung keinen allzu ärmlichen Eindruck machen. Misstrauen und Anfeindungen zwischen beiden Konfessionen waren noch stark vertreten. 1871 berief Landesbischof Wilhelmi als neuen Pfarrer Hermann Rocholl aus Elberfeld nach Oberlahnstein. Unter ihm wurde in dreijähriger Bauzeit die evangelische Kirche an der Nordallee errichtet. Die Steine stellte Gustav Goede, damaliger Besitzer von Burg Lahneck, aus einem unterhalb der Burg gelegenen alten Steinbruch zur Verfügung, die Eichenstämme stiftete die Stadt Oberlahnstein und der Orgelfonds wurde von einem Londoner Kaufmann begründet. Die Planung lag in den Händen des Wiesbadener Baurats Eduard Zais.

Am 09. Oktober 1872 konnte der Grundstein für den Bau an der Nordallee gelegt werden. In der Tageszeitung Lahnsteiner Anzeiger inserierte das Festkomitee, dass „sämtliche Einwohner Lahnsteins und Umgebung“ zur Feier im alten Kirchsaal (Schloss) eingeladen sind. Der Lahnsteiner Anzeiger druckte auf der Titelseite ein Gedicht von Pfarrer Rocholl ab, dessen erste von fünf Strophen lautete: „Wo wir am Rhein aus grauer Vorzeit Tagen / die Burgen Stolzenfels und Lahneck steh`n / Wo kühn zum Himmel ihre Thürme ragen / wird bald ein neues Gotteshaus ersteh`n. / Am freien Rhein, nicht weit von seinem Strande, / da bauen wir`s in festem Gottvertrau`n, / da knüpfen wir der Christenliebe Bande, / da wollen wir vereint zum Himmel schau`n!“ Am Tag nach der Grundsteinlegung betonte die Presse, dass „ungeteilte Freude sämtliche Festgäste beider Konfessionen erfüllt hat“ und der Festtag „mit warmer Herzlichkeit“ begangen wurde.

Auch die königlichen Behörden waren durch Landrat, Amtmann und Gemeinderat sowie Bürgermeister zugegen, als Vertreter der Geistlichkeit nahmen Landesbischof, Kirchenrat und Dekan sowie die Geistlichen aus den Nachbarorten teil. Die Feier begann im geschmückten Schlosshof mit Gesang unter Begleitung der Festmusik der Kapelle des 29. Regiments aus Koblenz und der Festrede von Pfarrer Rocholl. Anschließend zog der Festzug – allen voran die Militärkapelle, Schulknaben, Schulmädchen, weißgekleidete Festjungfrauen, das Institut Taplin mit seinen Lehrern, die Geistlichkeit, Behörden, Kirchenvorstand und Gemeindevertretung, der Gesangverein und viele Festgenossen („unter denen auch unsere katholischen Mitbürger durch zahlreiche Beteiligung uns rechte Freude gemacht haben“, Zitat aus Lahnsteiner Anzeiger) über Hochstraße und Westallee zum Kirchbaupatz. Unterwegs spielte die Musik „Eine feste Burg ist unser Gott“. Der MGV 1863 Oberlahnstein sang „Das ist der Tag des Herrn“ am Festplatz, Kirchenrat Dietz aus Biebrich hielt die Weiherede. Anschließend wurde auf Geheiß des Pfarrers der Grundstein gelegt: Die Urkunde wurde vorgelesen und zusammen mit drei verschiedenen Tageszeitungen in einer Büchse in die Höhlung des Grundsteins gelegt, der mit einer Platte verschlossen wurde. Landesbischof Wilhelmi hielt den Weihespruch und vollzog die ersten drei Hammerschläge. Nach weiteren Ansprachen sang der MGV „Danket dem Herrn“.

Auf das Schlussgebet von Dekan Opel sangen alle Anwesenden unter Musikbegleitung „Nun danket allen Gott“. Es folgte der Schlusssegen. Alle Kinder wurden vom Festkomitee mit Bretzeln beschenkt. 120 Festgäste einschließlich der katholischen Geistlichkeit feierten im Hotel Lahneck. Der Grundstein trägt das Datum des 09. Oktober 1872 und ist am Eingang der Kirche innen zu sehen. Bis zur Einweihung am 03. Juni 1875 sollten noch fast drei Jahre vergehen. 1874 wurde die evangelische Gemeinde von Braubach losgelöst und damit selbstständig.

Foto: Benjamin Graf

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Datum: 02.11.2022
Rubrik: Lahnstein
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