Einen Umfang von 5,8 Milliarden Euro hat der Bildungsetat für Rheinland-Pfalz in den nächsten zwei Jahren. Der Landtag führt eine lebhafte Debatte über die Verwendung der Mittel.
Bildungsministerium will schulische Inklusion voranbringen
Mainz (dpa/lrs) - Das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung soll in Rheinland-Pfalz in den beiden kommenden Jahren verstärkt vorangebracht werden. «Für die Inklusion stellen wir 60 Millionen Euro zur Verfügung», sagte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) in der Landtagsdebatte zum Bildungsetat mit einem Umfang von 5,8 Milliarden Euro am Donnerstag in Mainz. Im Mittelpunkt des Doppelhaushalts für 2023/24 stehe die Chancengleichheit, die Bildungsgerechtigkeit. «Wir müssen jedes Kind in Rheinland-Pfalz stark für die Zukunft machen.»
In der Debatte sprach sich die Grünen-Abgeordnete Pia Schellhammer für eine umfassende inklusive Bildung aus. Dabei plädierte sie dafür, «die individuellen Förderbedürfnisse eines jeden Kindes ob mit oder ohne Behinderung in den Vordergrund zu stellen». Förderschulen mit dem Unterricht ausschließlich von Kindern mit einer Behinderung führten bei 70 Prozent nicht zu einem berufsqualifizierenden Abschluss. «Damit wird ihnen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben ohne staatliche Transferleistungen genommen.» Ein gemeinsamer Unterricht in der Regelschule führe zu komplexen sozialen Situationen, in denen das soziale Lernen von begabten Kindern gefördert werde. «Alle profitieren von Inklusion.»
Eltern von Kindern mit einer Behinderung haben in Rheinland-Pfalz die Wahl zwischen einer von rund 300 Schwerpunktschulen, in der drei bis vier Schüler und Schülerinnen «mit sonderpädagogischem Förderbedarf» gemeinsam mit anderen unterrichtet werden, und 131 Förderschulen, wo ausschließlich Schülerinnen und Schüler mit diesem Förderbedarf unterrichtet werden. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat dies in einer Studie im vergangenen Jahr als Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention kritisiert.
Die CDU-Bildungspolitikerin Jennifer Groß forderte in der Debatte erneut eine deutliche Erhöhung der Planstellen mit dem Ziel einer Unterrichtsversorgung von 105 Prozent. Angesichts der bisher höchsten Zahl von neu eingeschulten Kindern seien dringend mehr Lehrkräfte nötig. Zu den Kitas sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Barth, es müsse mehr Planungssicherheit für Einrichtungen und Träger geben. Zugleich wandte er sich gegen eine generelle Inklusion in der frühkindlichen Bildung: «Es gibt beeinträchtigte Kinder, die in einer Förder-Kita besser aufgehoben sind.»
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Michael Frisch sprach im Anschluss an Schellhammer von «unfassbar realitätsfernen rot-grünen Sprechblasen». Bei den Kitas sei dringend eine Entlastung der Einrichtungen erforderlich - «dazu holen wir die Familien wieder stärker mit ins Boot». Die AfD-Fraktion erneuerte dabei ihre Forderung nach einem staatlichen Kostenausgleich für Familien, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken.
Bildungsministerin Hubig warf der AfD daraufhin ein «reaktionäres Bild» von frühkindlicher Bildung vor. Seit 2006 sei die Zahl der Kita-Plätze in Rheinland-Pfalz um 30 000 oder 20 Prozent gesteigert worden. «Wir wollen frühkindliche altersgerechte Bildung, keine Verschulung.» Der neue Haushalt stelle für die Unterstützung der Kitas fast eine Milliarde Euro pro Jahr zur Verfügung. Entscheidend für Bildungsgerechtigkeit sei der ganze Bildungsweg, sagte Hubig. Besonderes Augenmerk gelte dabei auch dem Übergang von der Kita zur Schule.
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