
Die große Politik merkt man hier
Zunahme von illegalen Einreisen und Schleusenkriminalität in Rheinland-Pfalz
Trier/Saarbrücken/Mainz (dpa/lrs) - Im Kampf gegen illegale Einreisen und Schleuserkriminalität rücken Bundespolizisten regelmäßig zu Kontrollen im deutschen Grenzraum zu Luxemburg und Belgien aus. Seit einigen Monaten stellen sie dort einen Anstieg von unerlaubten Einreisen fest. «Man kann in 2022 eine deutliche Steigerung zu 2019 sehen, sagt der Leiter der Bundespolizeiinspektion in Trier, Stefan Jäger, der Deutschen Presse-Agentur. Zu den Brennpunkten zählen Bahnhöfe, Züge, bestimmte Autobahnen und der Hunsrück-Flughafen Hahn.
In den beiden Jahren 2019 und 2020 zusammen seien rund 1100 illegale Einreisen im Bereich Trier registriert worden. In 2021 und 2022 liege man bei etwa 1500 - einem Anstieg um 33 Prozent, sagt Jäger. Man habe zum besseren Vergleich wegen der Corona-Pandemie den Blick jeweils auf zwei Jahre gelegt. Dass die Zahlen wieder nach oben gingen: «Das ist der globalen Gesamtsituation geschuldet.»
Die Zahl der Fälle sei seiner Einschätzung nach sogar höher als sie bei der Flüchtlingswelle 2015 gewesen war. «Wir haben heute sehr viel mehr zu tun als das damals der Fall war.» Dies liege daran, dass heute viel mehr Menschen über die «Westroute» - also über Italien und dann Belgien oder Frankreich nach Deutschland kämen. «Diese Route war 2015 nicht so intensiv.» Damals kamen die Menschen vor allem über die deutsch-österreichische Grenze bei Rosenheim ins Land.
Auch bundesweit gehen die Zahlen nach oben. Im abgelaufenen Jahr wurden bis 6. Dezember rund 85 300 Menschen bei der unerlaubten Einreise nach Deutschland festgestellt. Im Gesamtjahr 2021 waren es laut Bundespolizei gut 57 600. Für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland standen bei der Bundespolizeidirektion Koblenz in jenem Zeitraum insgesamt gut 3400 Personen bei unerlaubten Einreisen in der Liste - nach rund 2600 im Jahr davor.
Die meisten der Migranten, die bei einer unerlaubten Einreise ermittelt werden, stammten aus Afghanistan und Syrien, sagt Jäger. «Die große Politik merkt man hier sofort.» So habe man einen Anstieg der Geflüchteten festgestellt, seit sich die Nato-Länder und somit auch Europa im Herbst 2021 aus Afghanistan zurückgezogen hatten. Und die Syrer flüchteten vor einem Bürgerkrieg, der seit 2011 in ihrem Land tobt. Weitere kämen aus Albanien, Nordafrika und dem Balkan. Viele der aufgegriffenen Flüchtlinge beantragten dann Asyl.
Ob per Auto, Transporter oder Flugzeug: «Wir haben viele Fälle dabei, in denen wir davon ausgehen, dass dahinter eine Organisationsstruktur von Schleusern stehen muss», sagt Jäger. Manche Reiserouten seien ohne Kontakte und Hilfestellungen kaum zu bewältigen. Schleuser zu ermitteln, sei extrem schwierig. An den EU-Binnengrenzen seien die Migranten unbegleitet.
Man gehe davon aus, dass mehr als die Hälfte der Fälle auf Schleusungen zurückgingen, sagt der Sprecher der Bundespolizei Trier, Stefan Döhn. Aber nur bei einem sehr kleinen Anteil von rund 50 Fällen sei dies auch belegbar. «Auch dann heißt es nicht, dass wir die Täter kriegen.» Ein Hinweis auf Schleusung sei zum Beispiel, wenn Menschen verschiedene Bargelddepots in einzelnen Briefumschläge für Anschlusstransporte dabei hätten.
«Wir haben auch Fälle, wo wir wirklich schlucken müssen», sagt Jäger. «Wenn man sieht, das sind Flüchtlinge, die aus den ärmsten Verhältnissen in Syrien oder Nordafrika unter Aufbietung aller Möglichkeiten, die sie haben, flüchten.» Man sehe den Menschen dann an, dass sie Angst hätten - vor den Behörden und vor einer Zurückführung. «Wir versuchen, sie dann in Ruhe abzuholen und informieren sie, wie es weitergeht.»
Man müsse aber wissen: Wer unerlaubt einreise, begehe zunächst einmal eine Straftat. «Inwieweit es aber schlimm ist, das muss man in einem weiteren Verfahren prüfen.» Stichproben-Kontrollen gebe es in Zügen, Bussen, aber auch im Individualverkehr im Raum rund 30 Kilometer entfernt zur Grenze. Die Bundespolizei Trier stimme sich dabei auch mit den Kollegen im saarländischen Saarbrücken ab.
Zum Beispiel bei Bussen oder Zügen, die aus Frankreich über das Saarland nach Trier fahren, informiere man sich, damit man nicht doppelt kontrolliere. Zudem gebe es gemeinsame Kontrollen mit Saarländern, sagt der stellvertretende Inspektionsleiter Benedikt Noll. Dann postiere sich die Bundespolizei im Saarland entlang der Grenze zu Frankreich, die aus Trier zu Belgien und Luxemburg. «Je höher die Kontrollintensität, desto höher die Feststellungen.» Rheinland-Pfalz und das Saarland grenzen über 454 Kilometer an Frankreich, Belgien und Luxemburg.
Gelegentlich gebe es auch «Hubschrauber-Sprungfahndungen» im Grenzraum, bei denen Kontrollpunkte und Beamte schnell und flexibel per Hubschrauber verlegt werden. «Weil man weiß, dass sich eine Kontrollstelle innerhalb von 20 Minuten 1000 Kilometer weit kommuniziert», so Jäger.
Neben Trier und Saarbrücken ist Kaiserslautern eine von drei Grenzinspektionen der Bundespolizeidirektion Koblenz. Bei den Kontrollen an den Grenzen gehen den Beamten auch häufiger mal per internationalem Haftbefehl gesuchte Straftäter ins Netz. Von 2019 bis 2022 seien dies im Schnitt pro Jahr rund 240 Personen gewesen. Oder man stößt in Fahrzeugen auf Waffen oder Drogen. «Diese Fälle geben wir dann an die zuständigen Behörden weiter», sagt Jäger.
Mit Blick auf Luxemburg haben die Trierer Bundespolizisten zudem eine besondere Aufgabe: Sie sind für die Überstellung von Straftätern von Deutschland nach Luxemburg zuständig. Das könne eine Person aus Deutschland sein, die sich in Luxemburg verantworten müsse - oder jemand aus Luxemburg, der in Deutschland ins Gefängnis komme.
Die «Überstellung» von Personen finde «zwei bis drei Mal pro Woche» am Grenzübergang in Wasserbilligerbrück statt, sagt Döhn. «Wir machen das auch für andere Dienststellen in Deutschland.» So könne es sein, dass die Direktion Stuttgart eine Person nach Trier bringe, die die Trierer dann nach Luxemburg überstellten. Eine ähnliche Stelle gebe es in Nordrhein-Westfalen für Belgien, und für Frankreich eine in Saarbrücken (Goldene Bremm).
Foto: Birgit Reichert/dp
Alle Meldungen, aktuell und regional aus Koblenz und dem Mittelrhein-Gebiet auf tv-mittelrhein.de