
Erster Tag im Prozess abgeschlossen
Prozessauftakt gegen mutmaßliche IS-Anhängerin und Sklavenhalterin
Koblenz (dpa) - Sie soll eine Jesidin als Sklavin gehalten und weitere Verbrechen begangen haben - seit Mittwoch steht eine mutmaßliche IS-Anhängerin vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, Mitglied in der Terrorvereinigung Islamischer Staat (IS) gewesen zu sein. Die Deutsche ist angeklagt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Beihilfe zum Völkermord, Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Die 37-Jährige hatte einst in Idar-Oberstein gelebt. Laut Gericht äußerte sie sich bisher nicht zu den Vorwürfen. Am Mittwoch kündigte die Verteidigung jedoch ihre künftige Einlassung vor Gericht an. Die Angeklagte war in weißer Bluse und mit Handschellen in den Gerichtssaal gebracht worden.
Laut Bundesanwaltschaft soll sie sich während ihres Studiums in Nordrhein-Westfahlen islamistisch radikalisiert und dort ihren künftigen Ehemann, einen syrischen Arzt, kennengelernt haben. Beide sollen 2014 nach Syrien ausgereist sein, um sich dem IS anzuschließen. 2015 zog das Paar nach Mossul im Irak um. Der Mann habe als IS-Arzt Kämpfer behandelt, während seine Frau ihn mit der Führung des Haushalts und der Erziehung der zwei gemeinsamen kleinen Töchter unterstützt habe. Die 37-Jährige und ihr Mann sollen in ihrem Haus in Mossul alleinstehende IS-Frauen aufgenommen sowie eine große Anzahl Sprengstoff und Waffen gelagert haben, darunter Handgranaten und Kalaschnikows. Mit einer Pistole habe das Paar Schießübungen gemacht.
2016 soll der Ehemann eine damals 22-jährige Jesidin als Sklavin in das Haus gebracht haben. Diese soll 2014 bei der Erstürmung ihres Heimatdorfs vom IS gefangen genommen und davor schon anderen IS-Mitgliedern als Haushalts- und Sexsklavin zur Verfügung gestellt worden sein, heißt es von der Anklage. Die junge Frau soll gezwungen gewesen sein, zu kochen und zu putzen sowie sich um die Kinder des Paares zu kümmern. Der Ehemann soll mit Wissen seiner Frau die Jesidin regelmäßig vergewaltigt und geschlagen haben. Die Angeklagte soll überwacht haben, dass die Sklavin nicht fliehen konnte. Die Jesidin soll zudem gezwungen worden sein, täglich nach islamischem Ritus zu beten, mit dem Ziel, ihren eigenen Glauben zu vernichten.
2019 wurde die Familie laut Bundesanwaltschaft bei der Flucht aus dem syrischen Baghuz von kurdischen Kräften festgenommen. Die Angeklagte geriet mit ihren Töchtern in kurdische Gefangenschaft. Bei einer Rückholaktion der Bundesregierung wurde sie im März 2022 mit neun anderen mutmaßlichen IS-Anhängerinnen und 27 Kindern nach Deutschland gebracht. Der Generalbundesanwalt ließ sie und drei weitere Frauen direkt am Frankfurter Flughafen festnehmen. Seitdem sitzt die 37-Jährige in Untersuchungshaft - gegenwärtig im Gefängnis Rohrbach beim rheinhessischen Wöllstein. Ihre beiden Töchter werden laut Bundesanwaltschaft «getrennt von der Angeklagten betreut» - gemeinsam in Deutschland.
Die laut Anklage einst versklavte und wiederholt vergewaltigte Jesidin soll bis heute darunter leiden. Sie lebe wieder bei ihrer Familie im Irak. In dem Prozess vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz tritt sie als Nebenklägerin auf und wird hier im Februar als Zeugin erwartet. Insgesamt sind vorerst rund 20 Zeugen geladen. Die Eltern der Angeklagten, die am Mittwoch als Zuschauer im Saal saßen, wollen laut Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Verteidiger Gabor Subai sagte, Prozesse wegen mutmaßlicher IS-Mitgliedschaft seien in Deutschland nicht ungewöhnlich, wohl aber, dass hier der Mann der Angeklagten als Arzt für die Terrorvereinigung gearbeitet haben solle: «Ist das dann gleich eine kriminelle Tätigkeit?» Die Frage sei, ob er vielleicht auch die Bevölkerung und sogar Gegner des IS behandelt habe.
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