Verteidigungsministerin Lambrecht tritt zurück

Nachfolge noch offen

Verteidigungsministerin Lambrecht tritt zurück

Berlin (dpa) - Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zieht Konsequenzen und tritt zurück. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) um ihre Entlassung gebeten, hieß in einer Erklärung der Ministerin vom Montag. Die Nachfolgefrage blieb zunächst unbeantwortet. Der Kanzler werde diese «zeitnah» regeln, kündigte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann an. Eigene Fehler räumte Lambrecht in ihrer Erklärung nicht ein. Stattdessen nannte sie die Berichterstattung der Medien als Grund für ihren Rücktritt.

«Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu», schrieb Lambrecht. «Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen.» Sie danke allen, «die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft».

Vizeregierungssprecherin Hoffmann sagte in der Bundespressekonferenz: «Der Bundeskanzler respektiert die Entscheidung von Frau Lambrecht und dankt ihr für die gute Arbeit, die sie in dieser schwierigen und herausfordernden Zeit als Verteidigungsministerin geleistet hat.» Aus «Respekt vor der Entscheidung der Ministerin» werde die Entscheidung über die Nachfolge «aller Voraussicht nach» nicht mehr am Montag verkündet.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte eine zügige Nachbesetzung. «Wir brauchen jetzt schnell Klarheit und Kompetenz für die Bundeswehr», sagte er im Fernsehsender Welt. Die Truppe müsse wissen, wer sie führe. Auch für die anstehenden Rüstungsprojekte und die Entscheidungen über mögliche Panzerlieferungen in die Ukraine brauche es die schnelle Nachfolge. Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen kritisierte: «Die Bundeswehr ist mit sich selbst beschäftigt, während in Europa ein Krieg tobt und der Spannungsfall nicht weit ist.» Der neue Verteidigungsminister müsse die Bundeswehr als Ganzes verstehen, «um die materielle, personelle und ideelle Einsatzbereitschaft im Eiltempo wiederherzustellen».

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, die Liberalen nähmen die Entscheidung der Ministerin «mit Respekt» entgegen. In Europa und im Nato-Bündnis werde derzeit sehr genau auf Deutschland geschaut. An der Spitze des Verteidigungsministeriums brauche man nun eine Person, «die in der Lage ist, diese Herausforderung zu schultern».

Die 57-jährige Lambrecht sah sich seit Monaten Rücktrittsforderungen der oppositionellen Union ausgesetzt. Kritiker warfen ihr zum Beispiel die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr, fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. Negativschlagzeilen machte ein Foto ihres Sohnes, der in einem Hubschrauber der Bundeswehr mitreiste. Jüngst sorgte Lambrecht für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk in Berlin über den Ukraine-Krieg sprach.

Damit muss nun ein zentraler Posten im Ampel-Kabinett von Kanzler Scholz neu besetzt werden. Das Verteidigungsministerium ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zusätzlich in den Fokus gerückt. Deutschland hatte als Reaktion ein 100-Milliarden-Euro-Programm aufgelegt, um die Bundeswehr besser auszurüsten. Auch bei der Unterstützung der Ukraine spielt das Verteidigungsministerium eine wichtige Rolle.

Mitte Dezember hatte Scholz seine Verteidigungsministerin noch gegen Kritik in Schutz genommen. «Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin», sagte er damals der «Süddeutschen Zeitung». «Über manche Kritik kann ich mich nur wundern.»

Lambrecht hatte mit dem Start der Ampel-Regierung Ende 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) Bundesjustizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt.

Die SPD-Politikerin ist bereits die zweite Ampel-Ministerin, die ihr Amt wieder abgibt. Im vergangenen Jahr war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Familienministerin zurückgetreten - wegen ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021. Sie wurde durch Lisa Paus (Grüne) ersetzt.

Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Datum: 16.01.2023
Rubrik: Politik
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