
Als letztes Mittel könne auch über den Abbau eines Geldautomaten nachgedacht werden
«Methodenmix» soll Kampf gegen Geldautomatensprenger voran bringen
Mainz/Koblenz (dpa/lrs) - Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von der Sprengung eines Geldautomaten irgendwo in Rheinland-Pfalz zu lesen oder zu hören ist. 56 Fälle hat das Landeskriminalamt (LKA) im vergangenen Jahr gezählt, 31 Mal wurde dabei Geld erbeutet. Das Phänomen stellt Polizei, Politik und die Geldinstitute vor große Herausforderungen. Zuletzt sorgte die Sparkasse Koblenz für Aufsehen, die aufgrund der zahlreichen Geldautomatensprengungen in der Region künftig nachts ihre Selbstbedienungs-Bereiche in den Geschäftsstellen von 23.00 Uhr bis 5.30 Uhr geschlossen hält.
Die Kundinnen und Kunden hätten überwiegend positiv reagiert und Verständnis für diese Maßnahmen gezeigt, sagte eine Sparkassen-Sprecherin. Diese positiven Rückmeldungen habe man sowohl in direkten Kontakten als auch über die sozialen Medien erhalten.
«Die Sprengung von Geldausgabeautomaten hat deutschlandweit und auch hier bei uns in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr deutlich zugenommen», sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) auf Anfrage. «Die Täterbanden gehen dabei äußert skrupellos und brutal vor.» Durch die Sprengungen nähmen sie die Gefährdung von Menschenleben bewusst in Kauf. Hinzu kämen die massiven Sachschäden, die die Explosionen regelmäßig verursachten.
Bisherige Ermittlungserfolge zeigten, dass die rheinland-pfälzische Polizei konsequent gegen diese Straftaten vorgehe, erklärte Ebling. Verhindern ließen sich diese Delikte aber nur, wenn die Geldinstitute ihre Automaten besser absicherten und technisch nachrüsteten. Zu diesem Zweck lud der Innenminister die rheinland-pfälzischen Banken und Sparkassen noch für den Januar zu einem Gespräch ein. Er strebe für Rheinland-Pfalz genau wie im Bund ein gemeinsames Bekenntnis der Geldhäuser zu einem konsequenten Schutz der Geldautomaten an, sagte er.
Die nächtliche Schließung von SB-Einrichtung ist nur eine von mehreren Möglichkeiten der Geldhäuser, auf die Serie von Automatensprengungen zu reagieren. Die Sparkassen setzen nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Präventiv- und Sicherheitsmaßnahmen ein. «Das geht von verstärkten Tresoren über Geldeinfärbesysteme und Raumvernebelungssysteme bis hin zu gasgeschützten Geldautomaten», erklärte Alexander Schaubeck, der Leiter für den Geschäftsbereich Strategie und Gremien beim Sparkassenverband Rheinland-Pfalz ist. Dazu kommen Videoüberwachung, Einbruchmeldeanlagen sowie bauliche und organisatorische Vorkehrungen. Details will der Verband aus Sicherheitsgründen nicht nennen.
Als letztes Mittel könne auch über den Abbau eines Geldautomaten nachgedacht werden, sagte Schaubeck. «Dies wäre allerdings eine Ausnahmeentscheidung in jedem Einzelfall, denn das dichte Netz der Geldautomaten ist ein Service der Sparkassen, der nach wie vor gerne und häufig genutzt wird.»
Bei der Suche nach dem passenden Vorsorgekonzept gebe es keine Pauschallösung, betont Steffen Steudel, Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), des Dachverbandes der fünf großen Bankenverbände in Deutschland. So mache es einen großen Unterschied, ob sich ein Geldautomat im Ankunftsterminal eines Flughafens, auf einem Parkplatz in einem Industriegebiet nahe der Autobahn oder in einem Wohnhaus befinde. «Unterschiedliche Standorte gehen mit unterschiedlichen Risiken einher», sagte Steudel. Konkrete Zahlen zu nächtlichen Schließungen von SB-Stellen in Rheinland-Pfalz als Schutz vor Automatensprengungen nennen weder Sparkassenverband noch DK.
In ihrer Information zu den nächtlichen Schließungen hatte die Sparkasse Koblenz erklärt, oberstes Ziel sei es, Anwohner und Kunden vor Schaden zu schützen. Zukünftig müsse noch stärker abgewogen werden «zwischen dem Kundennutzen der jederzeitigen Bargeldverfügbarkeit vor Ort und dem Risiko eines Sprengversuchs». Generell sei ein deutlicher Rückgang der Bargeldautomatennutzung festzustellen, da immer mehr Kunden und Kundinnen bargeldlos bezahlten. All dies könnte langfristig auch zu einer Senkung der Zahl von Geldautomaten führen.
Beraten werden die Geldhäuser von Experten des LKA. «Wir empfehlen einen Methodenmix aus verschiedenen Maßnahmen, das hängt auch von den örtlichen Begebenheiten ab», sagte LKA-Sprecher Bastian Kipping. Nächtliche Schließungen seien eine Möglichkeit. Die Geldautomatensprengungen gehen nach seinen Worten meist auf das Konto professionell vorgehender Banden aus den Niederlanden. Nachahmungstäter gebe es eher selten, und wenn, dann handele es sich zumeist um Banden aus Osteuropa.
Die Aufklärungsquote bei Geldautomatensprengungen lag im vergangenen Jahr laut LKA bei 21 Prozent und im Jahr davor bei 26 Prozent. Erschwert werde die Suche nach den Tätern dadurch, dass durch die Sprengung viele Spuren an den Tatorten vernichtet würden. Waren die Banden nach Worten Kippings früher oft in gestohlenen Fahrzeugen unterwegs, reisten sie nun häufiger mit Mietautos an, was einen möglichen Fahndungsansatz biete. Auch beim Sprengmittel gibt es eine Änderung: Wurde vor ein paar Jahren zumeist Gas verwendet, ist es jetzt meist Festsprengstoff. Gefährdet sind laut Kipping vor allem Geldautomaten in Autobahnnähe.
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