"Jedes Mal ist irgendwas": Pendler-Kritik an Bahn reißt nicht ab

Veraltete und überlastete Infrastruktur, Baustellen, Personalmangel

"Jedes Mal ist irgendwas": Pendler-Kritik an Bahn reißt nicht ab

Frankfurt/Mainz (dpa) - Verspätungen, Zugausfälle, zu wenig Information: Mangelnde Zuverlässigkeit im öffentlichen Nahverkehr sorgt weiter für reichlich Kritik. Vergangenes Jahr hatte eine Krankheitswelle empfindliche Einschränkungen des Angebots verursacht. Doch noch immer gebe es Beschwerden verärgerter Pendler, heißt es beim Fahrgastverband Pro Bahn. Zu den Gründen zählt der hessische Landesverband neben Personalmangel zahlreiche Baustellen - von denen es in der nächsten Zeit allerdings noch mehr geben wird.

Pendler und Pendlerinnen, die bisher leicht auf dreistellige Ausgaben für Fahrkarten im Monat kommen, sind sauer. «Wenn ich von Mainz nach Frankfurt zur Arbeit fahre, reicht es nicht, den Zug zu nehmen, der theoretisch gut passen würde. Ich muss immer einen früher nehmen, um nicht zu spät zu kommen», berichtet eine 27-Jährige. «Der fällt dann allerdings oft aus.» Häufig schaffe sie es gar nicht pünktlich zum Mainzer Hauptbahnhof, weil die Straßenbahn ausfalle oder verspätet sei. «Die S-Bahnen fahren anders als die Züge relativ pünktlich, sind aber meistens total voll.»

«Jedes Mal ist irgendwas», sagt auch ein weiterer Pendler auf der gleichen Strecke. Signalstörungen, Zugausfälle oder auf der Strecke stehen bleibende Bahnen. Letzteres geschehe häufig kurz vor dem Mainzer Hauptbahnhof. «Abends, wenn Du kaputt von der Arbeit bist und Du siehst Dein Ziel eigentlich schon, darfst aber nicht aussteigen, das ist frustrierend», sagt der 29-Jährige.

Häufig problematisch ist auch die Fahrt zwischen Darmstadt und Mainz. Viele Züge kämen nur stockend voran, müssten immer wieder halten, um andere vorzulassen und bräuchten deutlich länger als geplant, berichtet ein Pendler. Der Verdruss sei häufig auch den Zugbegleitern in ihren Durchsagen anzuhören. «Wenn man einen Termin hat, muss man immer mindestens einen Zug früher nehmen, um pünktlich zu sein», ist auch hier das Fazit.

«Die Schieneninfrastruktur im Rhein-Main-Gebiet ist hoch ausgelastet, was dazu führt, dass die Verspätung eines Zuges sich schnell auf andere Verkehre überträgt», sagt die Sprecherin des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), Vanessa Rehermann. Rund zwei Drittel des deutschen Fernverkehrs durchquerten das Rhein-Main-Gebiet. «Hinzu kommen lokale Ursachen wie Infrastrukturstörungen. Auch hohe Krankenstände und externe Umstände wie beispielsweise Personen im Gleis sorgen immer wieder für Verspätungen und Ausfälle.»

Die Infrastruktur müsse ausgebaut werden, was auch geschehe - übergangsweise verursachten die Bauarbeiten allerdings weitere Probleme. Unter anderem sei dies auf der Main-Neckar-Ried-Strecke Frankfurt-Mannheim sowie der Kinzigtalbahn Frankfurt-Fulda der Fall.

Hochausgelastet sei die Infrastruktur zudem im Zulauf auf den Frankfurter Hauptbahnhof und in Mittelhessen, ergänzt eine Bahnsprecherin. Zu Medienberichten über geballte Probleme in Koblenz und Mainz verweist sie auf alte und störanfällige Anlagen, zudem lägen die Bahnhöfe an vollen Schienen-Korridoren. «Die Infrastruktur ist nicht im gleichen Takt mitgewachsen, wie das Verkehrsaufkommen.» Im engmaschigen System der Bahn könnten sich Störungen wie ein Dominoeffekt auf das gesamte Netz übertragen.

«Der Mainzer Hauptbahnhof ist für die Menge an Zügen, die dort durchfahren und vor allem wenden viel zu klein», sagt Martin Mendel vom Fahrgastverband pro Bahn in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Auch die Menge an Passagieren sei zu groß für den Bahnhof. Daher sei der geplante Neubau des Bahnhofs Mainz-Schott sehr wichtig, dieser werde aber noch einige Jahre auf sich warten lassen. Mendel verweist auf Verspätungen wegen Bauarbeiten auf der rechten Rheinseite zwischen Wiesbaden-Biebrich und Eltville und kritisiert, dass solche «planbaren» Verspätungen nicht beispielsweise im DB Navigator eingespielt werden, um Anschlusszüge erreichbar zu machen.

Weitere Bauarbeiten hatte die Bahn vergangene Woche für die Osterferien angekündigt, in Frankfurt wird der City-Tunnel dicht gemacht. Auch die Strecke nach Bad Vilbel wird erneut voll gesperrt. Noch mehr Baustellen werden dazu kommen, darauf verweist auch das Bahnunternehmen vlexx, wie etwa zum Ausbau des Knotens Frankfurt-Stadion. «Für den vlexx-Fahrplan heißt das: Es fallen die Halte zwischen Frankfurt Hauptbahnhof und Mainz Hauptbahnhof aus und es werden Züge über Frankfurt-Höchst umgeleitet. Zudem kommt es zu Verspätungen beziehungsweise früheren Ankunftszeiten», sagt eine Sprecherin.

Immerhin ist auf der Kostenseite deutliche Besserung in Sicht: Das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket soll nun am 1. Mai starten. Mit einem Massenansturm wie beim 9-Euro-Ticket vergangenen Sommer rechnet Pro Bahn nicht, dazu sei das Angebot noch zu teuer, sagt der hessische Vorsitzende des Fahrgastverbands, Thomas Kraft.

Der Nahverkehr auf der Schiene wäre seiner Einschätzung nach pünktlicher, wenn Baustellen früher kommuniziert und besser koordiniert sowie Kommunen und Verbände zuvor einbezogen würden. Gehe es weiter wie bisher sei jedenfalls zu befürchten, dass die durch die Verkehrswende anvisierten Klimaschutzziele nicht erreichbar seien. Wenn das Personal oder die sonstigen Kapazitäten nicht ausreichten, um den Fahrplan zu erfüllen, wäre es ehrlicher, Ausweitungen des Angebots von vorne herein eine Absage zu erteilen, sagte Kraft: «Auf dem Fahrplan fußen ja auch wichtige Entscheidungen wie die Wahl des Wohnorts.».

Der Verbandsvorsitzende Rheinland-Pfalz/Saarland hat zuletzt einzelne Verbesserungen registriert: Die Probleme mit der S9 seien weniger geworden. «Die Situation ist wieder relativ stabil», sagte Mendel. Die Personallage im Stellwerk Mainz-Bischofsheim habe sich wieder verbessert und offenbar seien auch wieder mehr Triebfahrzeugführer verfügbar.

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Datum: 16.02.2023
Rubrik: Verkehr
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