Kleine Solaranlagen auf Balkonen verzeichnen stark steigendes Interesse

Solarenergie in Rheinland-Pfalz am boomen

Kleine Solaranlagen auf Balkonen verzeichnen stark steigendes Interesse

Mainz (dpa/lrs) - Aus Sonnenschein wird Sonnenstrom: Nach dem Prinzip der großen Solaranlagen setzen immer mehr Rheinland-Pfälzer auf hausgemachten Strom mit sogenannten Balkonkraftwerken. Derzeit seien 3117 Solaranlagen unter 600 Watt, zu denen die Balkonkraftwerke gehören, bei der Bundesnetzagentur in dem Bundesland registriert. Davon wurden 1394 allein in diesem Jahr angemeldet, wie die Energieagentur Rheinland-Pfalz mitteilt. «Das machen längst nicht alle», sagt Stefan Hartmann von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Die Zahl könnte demzufolge noch größer sein.

«Wir erfahren einen unglaublichen Boom», sagt eine Sprecherin der Energieagentur. Damit setze sich beim Photovoltaik-Zubau der Trend der vergangenen Jahre fort, dass überwiegend kleinere Anlagen installiert werden, sagt auch Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne).

Balkonkraftwerke kann man in fertigen Sets kaufen. Diese bestehen meist aus zwei Solarmodulen, einem Wechselrichter und einer Anschlussdose für das Hausnetz. «Die Solarmodule erzeugen Gleichstrom aus der Sonnenenergie, der dann vom Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt wird», erklärt Alexander Nollau, Abteilungsleiter im Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). «Der Wechselstrom wird ins Hausnetz eingespeist, wo er direkt verbraucht wird. Scheint die Sonne, können Sie Stromkosten einsparen.» Dabei sind die Nutzer nicht an einen Ort gebunden, denn die Anlage kann beim Umzug einfach mitgenommen werden. «Die Anlagen sind ausgereift und sicher», heißt es von der Verbraucherzentrale.

Eine landesweite Förderung für Balkonkraftwerke gibt es nicht, wie das Klimaschutzministerium mitteilte. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass Kommunen Förderprogramme durch Mittel des Kommunalen Investitionsprogramms Klimaschutz und Innovation (KIPKI) finanzieren könnten. Unter anderem die Stadt Mainz will mit Balkonkraftwerken die Energiewende voranbringen. Die Mainzer Stadtwerke sehen ein hohes Interesse an dem Programm. «Wir werden überrannt», sagt ein Sprecher der Stadtwerke Mainz.

Dass immer mehr Balkonkraftwerke zum Einsatz kommen, kann verschiedene Gründe haben. Die Verbrauchzentrale hebt den persönlichen Beitrag zur Energiewende hervor. Demnach können mit dem Mini-Kraftwerk etwa 2,5 Tonnen CO2-Ausstoß in 20 Jahren gespart werden.

Auch auf dem Konto kann die Anlage schon nach kurzer Zeit einen Unterschied machen: Ein Standardsolarmodul mit 380 Watt Leistung kann auf einem sonnigen Balkon rund 280 Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren. Das entspricht laut Verbraucherzentrale etwa dem jährlichen Verbrauch eines Kühlschranks und einer Waschmaschine in einem Zwei-Personen-Haushalt. Bei einem durchschnittlichen Strompreis von 33 Cent bringe das eine jährliche Ersparnis von rund 66 Euro.

Ein einfaches Balkonkraftwerk koste normalerweise 350 bis 600 Euro, heißt es bei der Verbraucherzentrale. «Das ist im Moment sehr gefragt und wird überall angeboten bei Discountern und Baumärkten», sagt Hartmann. Seit Januar werden zwar nicht mehr 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Balkonkraftwerke erhoben, die Preise seien dennoch gestiegen, heißt es auf der Internetseite der Verbraucherzentrale. Das liege an der hohen Nachfrage und Verzögerung bei der Lieferung von Bauteilen. Daher sollte vorab geschaut werden, ob sich die Installation lohne.

Entscheidend dafür ist die Ausrichtung des Balkons: «Ein Balkon, der möglichst nach Süden, südöstlich oder südwestlich ausgerichtet ist, bringt natürlich eine höhere Sonneneinstrahlung als ein Nordbalkon», sagt VDE-Experte Nollau.

Noch vor Anschluss des Gerätes gebe es weitere Voraussetzungen zu erfüllen, beispielsweise müsse ein Zweirichtungszähler im Haus vorhanden sein. Bei alten Stromzählern sind die Anlagen laut Hartmann nicht zulässig, «weil sie rückwärts laufen, wenn mehr Strom produziert als gebraucht wird». Die Netzbetreiber müssten die Stromzähler austauschen, dies dauere aber oft lange.

Zudem ist die Anmeldung der Anlage bei der Bundesnetzagentur, beim Vermieter und beim Netzbetreiber laut Verbraucherzentrale mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden. Die Verbraucherzentrale fordert darüber hinaus die maximale Grenze für den Wechselrichter von derzeit 600 auf 800 Watt zu erhöhen. Dies entspreche nicht nur der europäischen Norm, sondern sei sinnvoll bei zwei Standardmodulen mit in der Regel 370 bis 430 Watt, sagt Hartmann.

Bei der Einspeisung erkennt Hartmann eine weiteres Hindernis: Aus Sicht der Verbraucherzentrale sei ein normaler Stecker ausreichend, der VDE empfehle aber noch eine spezielle Einspeisesteckdose. Auch die Bundesregierung plant in ihrer kürzlich veröffentlichten Photovoltaik-Strategie die Zulassung von herkömmlichen Steckdosen für die Nutzung von Balkonkraftwerken. Die Meldepflichten sollen danach auch einfacher werden. Und rückwärtsdrehende Zähler sollen entgegen den aktuellen Vorgaben vorübergehend geduldet werden. «Steckdosen, Wechselrichter, Stromzähler und Anmeldung - wenn diese vier Punkte hoffentlich vereinfacht werden, sind auch alle Hürden ausgeräumt», sagt Hartmann.

Foto: Stefan Sauer/dpa

Alle News aus der Region in der TV Mittelrhein & WWTV App. Jetzt kostenfrei downloaden!

Datum: 19.05.2023
Rubrik: Gesellschaft
Das könnte Sie auch interessieren
Livestream
Neu in unserer Mediathek

TALK56

TALK56
Folge: Ermittlung zur Ahr-Flut: Hinterbliebene fordern Aussetzung des Ermittlungsverfahrens

Sendung vom 17.04.2024

TALK56

TALK56
Folge: Kommunalwahl56: SPD Vorsitzender Detlev Pilger steht Rede und Antwort

Sendung vom 17.04.2024

TALK56

TALK56
Folge: Markt der Berufe

Sendung vom 17.04.2024