
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Ahr-Landrat
Der Flut-Untersuchungsausschuss tagt wieder
Mainz (dpa/lrs) - Der Untersuchungsausschuss im rheinland-pfälzischen Landtag zur Flutkatastrophe im Ahrtal setzt seine Beweisaufnahme an diesem Montag (9.00 Uhr) fort. Geladen ist erneut der Sachverständige Professor Dominic Gißler. Der Professor für Führung und Bevölkerungsschutz aus Berlin wird diesmal zu seinem Gutachten befragt, das er im Auftrag der Staatsanwaltschaft Koblenz erstellt hat. Es geht darin um den Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler zum Zeitpunkt der Flut Mitte Juli 2021.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Ex-Ahr-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen Mitarbeiter des Krisenstabs des Kreises wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung. Pföhler hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Gißler war in seinem Gutachten nach früheren Angaben der Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass der Katastrophenschutz im Kreis Ahrweiler zum Zeitpunkt der Flut nicht optimal organisiert war. Der Kreis habe kein ausreichend entwickeltes Einsatzführungssystem vorgehalten.
Der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, hatte Ende Oktober einen Beweisantrag gestellt, um das Gutachten im Untersuchungsausschuss zu erörtern. Dieser hatte eigentlich Ende April seine Beweisaufnahme formell beendet, im Dezember sollte der Abschlussbericht des Gremiums im Landtag diskutiert werden.
Gißler hatte sich in einem anderen Gutachten für den Untersuchungsausschuss mit der Einsatzleitung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in den ersten Wochen nach der Flut beschäftigt. Dies war im Frühjahr vorgestellt und diskutiert worden. Die Landesbehörde ADD hatte zwei Tage nach der Flutwelle vom 14./15. Juli 2021 die Leitung des Katastrophenschutzes vom Landkreis Ahrweiler übernommen.
In dem Gutachten kam der Wissenschaftler unter anderem zu dem Schluss, dass die Einsatzleitung kein ausreichendes Ordnungspotenzial aufgebracht habe. Bei Personalwechseln sei es zu Reibungsverlusten gekommen. «Das hat zu einer allgemeinen Dysfunktionalität geführt.» Einsatzstäbe hätten in relevanten Zeitabschnitten unzureichend funktioniert, hatte Gißler gesagt. «Der Zug war dann quasi abgefahren.»
Ein Fazit des Sachverständigen lautete auch: Im Katastrophenschutzsystem in Deutschland würden nicht die notwendigen Spezialisten ausgebildet, die sich um das Führungssystem bei solch komplexen Einsätzen kümmern könnten. Gißler hatte gesagt, es gebe abgesehen von der Polizei nicht mehr als ein Dutzend solcher Spezialisten. Es gebe ein «systematisches Problem».
Bei der Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz 136 Menschen ums Leben gekommen, davon 135 in der Ahr-Region - und einer im Raum Trier. Ein Mensch gilt noch immer als vermisst.
Berichterstattung regional und aktuell aus Koblenz und der Region Mittelrhein.