«Was bist du für ein Mann?» - Wenig Hilfe für gewaltbetroffene Männer

Bundesweit nur zwölf Schutzwohnungen für Männer und ihre Kinder

«Was bist du für ein Mann?» - Wenig Hilfe für gewaltbetroffene Männer

Mainz (dpa/lrs) - Einen Monat nach der Hochzeit schlug Timos Frau das erste Mal zu. «Meine Frau hat mich geohrfeigt, ging auch mit Fäusten auf mich los.» Fast 20 Jahre wurde er in seinem eigenen Zuhause geschlagen und gedemütigt, wie er erzählt. «Häusliche Gewalt gegen Männer ist für viele ein Tabuthema», sagt Timo, der seinen echten Namen nicht nennen will. «Das führt zu Vorurteilen und dazu, dass mir nicht geglaubt wird.»

Bundesweit kam es im Jahr 2022 nach Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) zu 240 547 Fällen häuslicher Gewalt. In Rheinland-Pfalz waren es im selben Jahr laut der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 13 573 Betroffene. Mit einer deutlichen Mehrheit von 70,07 (9511) Prozent sind die Opfer weiblich, 29,93 (4062) Prozent waren demnach männlich. Im Jahr zuvor waren es im Land noch 3749 betroffene Männer.

Gewalt kennt kein Geschlecht

Die Dunkelziffer der männlichen Gewaltopfer sei sehr hoch, sagt Bernd Seifried, Berater und Paartherapeut der Beratungsstelle für Männer «SAFE» in Mainz. Oft werde Männern die Rolle des «starken Geschlechts» zugewiesen - das passe einfach nicht zu einer Opferrolle. «Das Hauptproblem ist die Schamschwelle.»

«Männer haben häufig niemanden in ihrem sozialen Umfeld, mit dem sie über ihre Probleme sprechen können», sagt Norbert Ries, Berater und Sozialpädagoge der Beratungsstelle für Männer und junge Väter in Ludwigshafen. «Und niemanden haben, heißt nicht, dass man keine Freunde hat.» Auch Timo verschwieg seinem Umfeld die Schikanen und zog sich im Laufe der Ehe aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Zu groß sei die Angst vor Vorwürfen wie «Jammerlappen!» oder «Was bist du für ein Mann?» gewesen. «Ich hatte mein Leben aufgegeben», erzählt der 48-Jährige.

Hohe Nachfrage - kaum Angebote

Lediglich bei drei Anlaufstellen mit je einem Berater in Rheinland-Pfalz finden Betroffene wie Timo professionelle Unterstützung. Nach Angaben des Familienministeriums in Mainz stehen bundesweit nur zwölf Schutzwohnungen für Männer und ihre Kinder zur Verfügung. In Rheinland-Pfalz und zehn weiteren Bundesländern gäbe es kein entsprechendes Hilfsangebot.

Dabei habe sich die Zahl der Ratsuchenden in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, betont Ries. «Es vergeht kaum eine Woche, in der uns nicht neue Anfragen erreichen», erzählt auch Peter Machetanz, Berater und Sozialpädagoge der Beratungsstelle des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) Trier. Die steigende Nachfrage bringe die Beratungsstellen an ihre Grenzen. «Es wird bald eine Warteliste geben, wie das auch bei Psychotherapeuten ist», sagt Machetanz.

Nur wenig Unterstützung für Beratungsstellen

Dass es so wenige Hilfsangebote für von Gewalt betroffene Männer gibt, liege unter anderem an der Zurückhaltung der Geldgeber, erklärt Seifried. «Man müsste zunächst die Bedarfe vor Ort kennen.» Seit Mitte 2021 wird die Beratungsstelle «SAFE» in Mainz als einzige Hilfseinrichtung vom rheinland-pfälzischen Familienministerium finanziell gefördert. Das Pilotprojekt soll helfen, den tatsächlichen Bedarf für mögliche weitere Hilfsangebote für die Zielgruppe zu beurteilen.

Die Anlaufstellen in Ludwigshafen und Trier seien finanziell auf sich allein gestellt, erzählen Ries und Machetanz. «Oft sind es Spenden oder ehrenamtliche Berater, auf denen sich die Männerberatungsstellen stützen», erzählt Ries. Für ratsuchende Männer solle die Beratung kostenfrei bleiben, sagt Machetanz. Bis Mitte 2025 werde seine Beratungstätigkeit vom Diözesanverein in Trier finanziert. Wie die Anschlussfinanzierung aussieht, sei noch unklar. «Ich kann jetzt noch überhaupt nicht sagen, wie es weitergehen wird.»

Keine Verpflichtung für Schutzmaßnahmen für Männer

Zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt trat 2018 bundesweit die Istanbul-Konvention in Kraft. Das Übereinkommen des Europarats beziehe sich hauptsächlich auf den Schutz von Frauen, da diese unverhältnismäßig stark betroffen sind, sagt Nils Dettki, Sprecher des Familienministeriums in Mainz. In Bezug auf Jungen und Männer enthalte die Konvention lediglich eine «Ermutigung», aber keine Verpflichtung der Vertragsparteien, Maßnahmen zu deren Schutz und Unterstützung zu ergreifen.

Derzeit erarbeite die Landesregierung einen Aktionsplan, in dessen Fokus der Schutz von Frauen steht. «Die Landesregierung hat jedoch auch von häuslicher Gewalt betroffene Männer im Blick und unterstützt diese», sagt Dettki. 54 000 Euro seien im Haushaltsplan für das Jahr 2024 für Maßnahmen gegen Gewalt an Männern veranschlagt. Ab Dezember wolle sich Rheinland-Pfalz zudem am bundesweiten Hilfetelefon «Gewalt an Männern» beteiligen, das anonyme Hilfe und Unterstützung bietet.

 

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Datum: 28.11.2023
Rubrik: Gesellschaft
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