Rechte Lieder – Polizei hört genau hin

Rassistische Parolen und rechte Musik

Rechte Lieder – Polizei hört genau hin

Mainz/Trier (dpa/lrs) - Musik wird auch in Rheinland-Pfalz gelegentlich benutzt, um rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten. In der Vergangenheit sei vereinzelt versucht worden, entsprechende «Musikveranstaltungen zu organisieren, um Netzwerke sowie ein Zusammengehörigkeitsgefühl auszubilden», teilte das Innenministerium in Mainz der Deutschen Presse-Agentur mit. Es handele sich bei den Organisatoren um «Angehörige des Personenpotenzials der politisch motivierten Kriminalität rechts». Damit wollten sie für ihre Ideologie werben und neue Mitglieder rekrutieren.

Laut Erkenntnis der Sicherheitsbehörden seien dies aber Einzelfälle. Anhaltspunkte für eine steigende Tendenz liegen demnach nicht vor. Vorfälle wie auf einem Video, das junge Menschen beim Grölen rassistischer Parolen zum Partyhit «L‘amour toujours» in einem Lokal auf Sylt zeigt, seien in Rheinland-Pfalz bisher nicht bekanntgeworden, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Am vergangenen Wochenende hatte die Polizei in Kröv an der Mosel eine private Veranstaltung mit mutmaßlich rechter Musik und möglicherweise verfassungsfeindlichen Parolen unterbunden. Es liege der Anfangsverdacht «rechtsmotivierter Straftaten» vor. Eine weitere Veranstaltung im Raum Wittlich wurde Anfang Mai beendet. Die Polizei gehe «gegen jegliche fremdenfeindliche und rassistische Straftaten konsequent vor». 

Wo rechtes Gedankengut in Rheinland-Pfalz stark ist
Nationales bis nationalistisches Gedankengut finde sich in Rheinland-Pfalz stärker in Mittelstädten mit 20 000 bis 100 000 Einwohnern, sagte der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun. Das habe der kürzlich vorgestellte Rheinland-Pfalz-Monitor gezeigt, der grundlegende Einstellungen der Bürger zu Demokratie und Politik erforscht. Aber auch in ländlichen Regionen seien solche Einstellungen häufiger vorhanden als in Großstädten im Land.

Laut der Studie im Auftrag des Landtags ist in Rheinland-Pfalz nationalistisches Gedankengut bei rund einem Drittel der Bevölkerung vorhanden, wie Jun als Projektleiter sagte. Mehr als 50 Prozent im Land seien der Auffassung, dass eine «Überfremdung durch fremde Kulturen» stattfinde. «Da reden wir schon von Bevölkerungsschichten der gesellschaftlichen Mitte, die so denkt.» 

Untersuchungen zeigen, dass etwa acht bis zehn Prozent der deutschen Bevölkerung «autoritäre bis rechtsextreme Einstellungen» hätten, sagte Jun. «Und das ist durch die AfD jetzt hoffähiger gemacht worden. Es trauen sich Menschen mehr, das nach außen zu zeigen.» Die AfD verstärke Tendenzen, «die vorhanden sind oder sie ruft sie sogar teilweise hervor». 

Rheinland-Pfalz unterscheide sich nach Erhebungen nicht wesentlich von anderen Bundesländern im Westen. Für das Saarland würden leider noch keine Daten erhoben. Im Osten lägen die Werte für autoritäre rechtsradikale Einstellungen deutlich höher, sagte Jun. 

Was steht im Verfassungsschutzbericht?
Im Verfassungsschutzbericht 2022 für Rheinland-Pfalz heißt es unter anderem, zumindest in Teilen der bürgerlichen Mitte schwinde die Abgrenzung zum Extremismus – vornehmlich zum Rechtsextremismus sowie zur «Reichsbürger»- und «Delegitimierer»-Szene. Vom Rechtsextremismus gehe eine unverändert große Gefahr für die freiheitliche Gesellschaftsordnung und das friedliche Zusammenleben aus. 

Insgesamt ordnet der Bericht 750 Menschen dem rechtsextremistischen Spektrum zu, 150 davon werden als gewaltorientiert eingeschätzt. Innerhalb der rechtsextremistischen Szene machten Neonazis den größten Teil des gewaltorientierten Personenpotenzials aus. Die Neonazi-Szene gliedere sich überwiegend in lose Zusammenschlüsse mit niedrigem Organisationsgehalt. Die klassische Kameradschaftsszene mit ihren straff organisierten Gruppierungen habe an Bedeutung verloren. 

Dass Rückzugsräume für die Vernetzung der rechtsextremistischen Szene wichtig seien, habe das Beispiel eines Veranstaltungsortes in Weitersburg im Kreis Mayen-Koblenz gezeigt. Dort hätten seit 2020 in einer abgelegenen Mühle regelmäßig rechtsextremistische Lieder- und Balladenabende stattgefunden, der Ort habe zwischenzeitlich eine überregionale Bedeutung erlangt. Der Etablierung dieses überregionalen Szenetreffpunktes habe mit konsequentem Eingreifen der Sicherheitsbehörden entgegengetreten werden können. 

Zivilcourage, aber wie? Breites Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus
In Rheinland-Pfalz gibt es ein breites Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus mit mehr als 30 Mitgliedsorganisationen. Zu dem Netzwerk gehört die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die vier Regionalstellen im Land hat. Die Experten beraten präventiv, kommen aber auch nach Vorfällen zu den Betroffen, um mit ihnen zusammen vor Ort Strategien zu entwickeln und sie handlungsfähig zu machen. 

Bei den Ratsuchenden handele es sich sowohl um Einzelpersonen als auch Vereine, Gaststätten und Institutionen wie Schulen oder Gemeinden, die Probleme mit Rechtsextremismus haben, berichtete Markus Pflüger von der Mobilen Beratung. In den Gesprächen gehe es darum, nach Netzwerken vor Ort zu schauen, die unterstützen können: Das können bereits vorhandene Bündnisse gegen rechts, aber auch Sportvereine oder die Kirche sein. Auch gebe es Tipps für Argumentations- und Zivilcourage-Trainings, um bei Konfliktsituationen gewappnet zu sein.

Die Experten der Mobilen Beratung rufen dazu auf, nie den Eigenschutz bei Vorfällen mit Rechtsextremismus außer Acht zu lassen, nicht unbedacht alleine auf eine Veranstaltung oder in ein Haus zu gehen und sich im Idealfall vorher Verbündete zu suchen. Bei der privaten Veranstaltung im Kröver Ortsteil Kövenig hätten die Anwohner mit dem Einschalten der Polizei etwa genau richtig reagiert. Bei Vorfällen wie auf Sylt könne es schon reichen, die Gaststättenbetreiber anzusprechen oder zu sagen, dass man das nicht gut findet. 

Foto: Thomas Frey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Berichterstattung regional und aktuell aus Koblenz und der Region Mittelrhein.

Datum: 31.05.2024
Rubrik: Politik
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