Welche Einstellungen und Werte haben Polizisten?
Kein struktureller Rassismus bei Polizei - «Graubereiche»
Mainz (dpa/lrs) - Keine Hinweise auf strukturellen Rassismus, keine grundlegenden rechtsextremistischen Einstellungen, aber «Graubereiche», auf die geschaut werden soll - so lassen sich grob die Ergebnisse einer Studie über die rheinland-pfälzische Polizei zusammenfassen.
Was ist der Hintergrund der Studie?
Bei der Vorstellung der Studienergebnisse erinnerte Innenminister Michael Ebling (SPD) in Mainz an den Fall des 2020 in den USA bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben gekommenen George Floyd. Anschließend sei auch in Deutschland eine breite Debatte über Polizeigewalt entstanden. Außerdem gab es in anderen Bundesländern Rassismusvorwürfe und rechtsradikale Chatgruppen in Polizeikreisen. Vor dem Hintergrund entschied sich Rheinland-Pfalz wie einige andere Bundesländer auch, eine eigene Studie zur Landespolizei anzugehen. Los ging es dann am 17. Januar 2022 mit der ersten quantitativen Umfrage.
Worum ging es genau in der Studie?
Es sollte mehr über das Verhältnis zwischen der Polizei und der Gesellschaft herausgefunden werden sowie über Einstellungen in der Polizei. Befragt wurden Polizisten sowie Mitarbeiter der Verwaltung der Polizei unter anderem auch nach Belastungen in ihrem Beruf und nach Werten. Die vom Land mit 622.000 Euro geförderte Studie mit dem Namen «Insider - Innere Sicherheit und Demokratische Resilienz. Bedingungen und Wechselwirkungen polizeilichen Handelns in der pluralen Gesellschaft» gliederte sich in einen soziologischen, psychologischen und politikwissenschaftlichen Teil, beteiligt waren Wissenschaftler der Uni Trier und der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität.
Wie war die Studie aufgebaut?
Es wurden unter anderem Gruppengespräche und Einzelinterviews geführt. Polizisten wurden zu ihren eigenen Einstellungen befragt und mit Blick auf mögliches Fehlverhalten wurden die Beamten auch gefragt, ob sie so etwas bei Kolleginnen oder Kollegen beobachtet haben - das Spektrum erstreckte sich von einfachem Fehlverhalten - etwa Unhöflichkeiten - bis hin zu disziplinarwürdigem Fehlverhalten. Zu Letzterem könnte rassistisches Verhalten gehören.
Was waren zentrale Ergebnisse?
Der Trierer Psychologie-Professor Conny Antoni, der Trierer Soziologe Martin Endreß sowie der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer sprachen von einer großen Offenheit der Polizisten gegenüber der Studie und verwiesen auf eine vergleichsweise hohe Teilnahmequote von rund 50 Prozent der Angehörigen der rheinland-pfälzischen Polizei - zumindest bei einer ersten Befragungswelle.
Endreß sagte, so habe sich die Chance geboten, tief in die Polizei hineinzuschauen. Dabei habe sich weder ein institutioneller Rassismus gezeigt, noch gebe es Hinweise auf grundlegende rechtsextremistische Einstellungen. Antoni ergänzte, dass viele Befragte sich sehr verbunden mit demokratischen Prinzipien fühlten.
Geschaut wurde auch, ob in der Polizei abwertende Einstellungen gegenüber bestimmten Personengruppen verbreitet sind. Konkret wurde auf Einstellungen gegenüber Zugewanderten, gegenüber Musliminnen und Muslimen sowie Jüdinnen und Juden geschaut, da diese im Zentrum aktueller Debatten stünden, wie es in der Kurzfassung des Abschlussberichts heißt. Antisemitische Einstellungen werden demnach in der rheinland-pfälzischen Polizei noch stärker abgelehnt als in der Bevölkerung insgesamt.
Etwas anders sieht es bei der Einstellung gegenüber Muslimen aus: Zwar lehnt die Mehrheit auch antimuslimische Aussagen ab, aber bei immerhin knapp 18 Prozent der befragten Polizeibeamten und sogar 23 Prozent der Verwaltungsbeamten sowie Tarifbeschäftigten gab es Zustimmung. 26 beziehungsweise 30 Prozent vermieden eine klare Positionierung.
Bei der Haltung zu Aussagen gegen zugewanderte Menschen sahen die Wissenschaftler einen «großen Graubereich». Polizisten positionierten sich etwas weniger ablehnend als die Bevölkerung, allerdings wichen sie auch auffällig oft auf die Mittelkategorie «teils/teils» in der Befragung aus.
Ein Erklärungsansatz hierfür ist den Wissenschaftlern zufolge, dass ein gutes Viertel der Polizisten Kontakte mit Muslimen und Zugewanderten als negativer wahrnimmt als Kontakte mit anderen Personen. Je mehr solcher Kontakte es gebe, desto negativer werde die Wahrnehmung. Andere Gründe seien persönliche Prägungen wie eine negative Weltsicht, oder das Gefühl, benachteiligt zu sein. Als Folge einer hohen Belastung bei der Arbeit sehen die Forscher solche negativen Einstellungen nicht.
Was empfiehlt die Studie?
Eine ganze Reihe an Dingen: Wichtig wären den Wissenschaftlern positive dienstliche Kontakte mit Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Auch solle noch gezielter gegen antimuslimische und zuwanderungsfeindliche Einstellungen und Vorurteile vorgegangen werden und noch mehr Kontakt zu gesellschaftlichen Gruppen gesucht werden.
Die Polizei solle außerdem gewappnet werden gegen die Verbreitung von Verschwörungsmythen. Geraten wird auch zu einer noch ausführlicheren Nachbereitung von Einsätzen und zu einer weiteren personellen Aufstockung der rheinland-pfälzischen Polizei. Coaching- und Schulungsangebote müssten ausgebaut werden und auch die Zugangsvoraussetzungen zur Polizei überdacht werden.
Was sagen Innenministerium und Gewerkschaften dazu?
Minister Michael Ebling (SPD) sagte, die Ergebnisse machten deutlich, dass die Bevölkerung zu Recht in die Polizei vertrauen könne. «Sie ist ein wichtiger stabilisierender Faktor in unserem demokratischen Rechtsstaat.» An einigen von den Wissenschaftlern empfohlenen Dingen werde bereits gearbeitet, manche seien im Entstehen. Er verwies auf die laufende Umstrukturierung der Kriminalpolizei oder auch darauf, dass es am Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen seit Februar dieses Jahres die erste Integrationsbeauftragte gebe. Dies solle auf weitere Polizeibehörden ausgeweitet werden. Die Befunde zu Einstellungen gegen Muslimen oder Zugewanderten würden ernst genommen, sagte Ebling. Der Inspekteur der Polizei, Friedel Durben, kündigte Infoveranstaltungen über die Studie innerhalb der Polizei an sowie Gespräche in Führungskreisen über die Befunde.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft in Rheinland-Pfalz griff die Forderung nach mehr Personal für die Polizei auf und pflichtete bei. «Die Arbeitsbelastung der Polizei ist hoch, und gerade die Stärkung des Bezirksdienstes im Sinne einer bürgernaher Polizeiarbeit ist unerlässlich.» Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stefanie Loth, erinnerte daran, dass ihre Gewerkschaft nach den Debatten über die Polizei vor einigen Jahren eine breit angelegte Studie gefordert habe. Die vorliegende Studie habe diese Forderung bestens erfüllt. «Wir fordern, dass genau hingeschaut wird und die Auffälligkeiten, die die Wissenschaftler festgestellt haben, sollten auch der Polizei eine genaue Betrachtung wert sein.» Sehr bewährt habe sich schon während der Studie die Forschungsstelle an der Hochschule der Polizei. Sie müsse personell und finanziell gestärkt werden.
Foto: Symbolbild
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