50 Jahre leichtere Schulranzen - Wieso der Kauf heute so schwierig ist

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50 Jahre leichtere Schulranzen - Wieso der Kauf heute so schwierig ist

Nürnberg (dpa) - An den ersten Schulranzen erinnern sich die meisten Erwachsenen noch Jahrzehnte später. Vor 50 Jahren war er kastenförmig, blau mit orangefarbener Vordertasche und von der Marke Scout. Ein anderes Modell gab es nicht, als 1975 der erste Leichtschulranzen in Deutschland auf den Markt kam. 

Heute konkurrieren etliche Hersteller mit verschiedenen Modellen und Designs um die Gunst der künftigen Schulkinder. Der Kauf will - auch wegen des Preises - gut überlegt sein. Viele Familien kaufen den Ranzen bereits Monate vor der Einschulung, oft als Geschenk zu Weihnachten oder Ostern. 

Damals sei der erste Schulranzen aus Polyester mit Katzenaugen und wattierten Trägern eine Innovation gewesen, sagt Michael Fortdran, Geschäftsführer des Herstellers Undercover in Nürnberg. «Davor gab es eigentlich nur Ledertaschen in Schwarz oder Braun, die schwer waren und nicht ergonomisch.» 

Nach und nach kamen weitere Farben und Muster dazu. In den 1980er Jahren gewann die Sicherheit an Bedeutung: Die Ranzen bekamen Reflektorstreifen und fluoreszierende Flächen. Viele Jahre kam der Scout aus Frankenthal in der Pfalz, 1990 wurde der Hersteller Sternjakob an die Nürnberger Steinmann Gruppe verkauft, seit 2024 gehört die Marke zu Undercover.

Die Qual der Wahl

Heute soll der Ranzen vor allem bequem sitzen, leicht zu tragen sein und dem Kind gut passen - dabei haben sich die Hersteller viel von Wanderrucksäcken abgeschaut und ihre Modelle mit Brust- und Hüftgurten sowie verstellbaren Rückenteilen aufgerüstet. Und da jedes Kind anders sei, habe Scout drei unterschiedliche Modelle etwa für größere oder zierlichere Kinder im Programm, erläutert Fortdran. Konkurrent Hama aus dem bayerischen Monheim kommt sogar auf sechs Modelle. 

Die große Auswahl habe einen Vorteil, erläutern die Fachleute vom Magazin «Ökotest»: Kinder könnten sich den Ranzen aussuchen, der ihnen gefalle und richtig sitze. «Allerdings ist die Vielfalt auch ein Verkaufsargument der Hersteller, das oft zur Überproduktion führt.» Statt jedes Jahr neue Kollektionen auf den Markt zu bringen, könnten Hersteller verstärkt modulare Modelle entwickeln, die sich durch austauschbare Elemente individualisieren ließen, so ihr Vorschlag. 

Eltern allerdings stehen oft ratlos vor der großen Auswahl. Welcher Ranzen ist der richtige? «Der Markt ist da schon sehr unübersichtlich geworden», sagt Händler Peter Emig aus Rüsselsheim, der seit 15 Jahren Schulranzen verkauft. Viele Eltern seien verunsichert und befürchteten, ein falscher Ranzen könne dem Kinderrücken dauerhaft schaden. Auch deshalb sind viele Familie bereit, zur Einschulung tief in die Tasche zu greifen: Im Fachhandel kosten viele der aktuellen Modelle mittlerweile um die 280 Euro. 

Technik treibt den Preis

«Schulranzen sind unheimlich technisch geworden, da sie deutlich mehr Anforderungen erfüllen müssen», erläutert Fortdran. «Das hat am Ende natürlich einen bestimmten Preis.» Ähnlich begründen es die Fachleute des Kölner Ergobag-Herstellers Fond Of. «Eine Schultasche ist eine langfristige und enorm wichtige Investition», betont die Produkt-Geschäftsführerin Susanna Kindler. Ranzen müssten robust, komfortabel, ergonomisch und nachhaltig sein. 

Man könne davon ausgehen, dass der Preis für Ranzen durchschnittlich pro Jahr um zehn Euro steige, hat Händler Emig beobachtet. Bei 300 Euro könnte aber eine Schmerzgrenze erreicht sein, denkt er. Um die Produktionskosten zu senken, könnten die Hersteller auf Extras wie etwa ein Fach für eine Regenhülle verzichten. 

Für ärmere Familie ist die Einschulung oft eine große finanzielle Belastung, denn neben dem Ranzen fallen Kosten für Stifte, Bücher und andere Materialien an. Über das Bildungs- und Teilhabepaket können die Kinder für Schulbedarf 130 Euro für das erste Schulhalbjahr und 65 Euro für das zweite Halbjahr bekommen. Hilfsverbände und Stiftungen sammeln deshalb seit Jahren gebrauchte oder neue, gespendete Schulranzen für bedürftige Kinder.

Der Kauf als Event

Der Kauf des ersten Schulranzens sei mittlerweile zum Event geworden, erläutert Händler Emig. In Geschäften kann man beobachten, wie Kinder ein Modell nach dem anderen anprobieren, während aufgeregte Eltern und Großeltern Fotos mit dem Smartphone schießen. 

Den größten Fehler, den Eltern machen könnten, sei, ihre Kinder zu einem bestimmten Ranzen zu überreden, sagt Emig. Schließlich müsse dieser den Kindern die gesamte Grundschulzeit gefallen. «Den Müttern sage ich dann immer, dass sie sich auch nicht beim Brautkleid hätten hereinreden lassen.»

Blinde Anprobe

In Emigs Geschäft probieren die Kinder Ranzen immer zuerst blind an, also mit einer Hülle verdeckt. Der Grund: «Kinder lassen sich vom Motiv beeinflussen. Sie werden immer den Ranzen bequemer finden, der besser gefällt», sagt er. Erst wenn das Modell gefunden sei, das am besten sitze, werde nach Farbe und Muster geschaut. 

Die Vorlieben haben sich dabei über die Jahrzehnte nur wenig geändert: Besonders beliebt seien nach wie vor klassische Themen wie Weltraum, Pferde, Autos, Dinosaurier, Einhörner, sagt Scout-Chef Fortdran.

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Datum: 09.04.2025
Rubrik: Vermischtes
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