
Mehr Präzision und Tempo - neues Gerät zur Krebsbehandlung
Hochpräzise Strahlen, weniger Nebenwirkungen: Wie neue Technik in Mainz Krebspatienten Hoffnung macht und die Forschung vorantreibt.
Mainz (dpa/lrs) -
Geräte im Millionenwert sollen die Versorgung von Krebspatienten sowie die Forschung an Krebstherapien in Mainz verbessern. Es handelt sich um Linearbeschleuniger einer neuen Generation, die nun in der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie der Mainzer Universitätsmedizin offiziell in Betrieb genommen wurden.
Konkret wurde ein solches Gerät neu angeschafft, ein anderes, vorhandenes Gerät aufgerüstet. Nach Angaben der Universitätsmedizin lenken diese hochenergetische Strahlen mit noch mehr Präzision auf Tumorregionen, um dort Krebszellen gezielt zerstören zu können oder ihr Wachstum zu verlangsamen.
Kürzere Bestrahlungszeiten
Das kann Heilungschancen krebskranker Menschen steigern und Nebenwirkungen reduzieren. Weil die Beschleuniger schneller arbeiten als Vorgängermodelle, können für Patienten belastende Bestrahlungszeiten verkürzt werden.
Der rheinland-pfälzische Gesundheits- und Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) sagte, das Land wolle den Forschungsstandort Mainz weiter zu einem führenden Zentrum in den Lebenswissenschaften und der Biotechnologie auszubauen. Gerade die Krebsforschung
und die Entwicklung innovativer Krebstherapien bilde einen besonderen Schwerpunkt der Universitätsmedizin Mainz.
Institut Tron spricht von bedeutendem Fortschritt
Ein wichtiger Akteur der Krebsforschung in Mainz ist das Institut Tron, eine Ausgründung der Unimedizin, die sich mit der Erforschung von Wirkstoffen zur immuntherapeutischen Behandlung von Krebs und anderen Krankheiten beschäftigt. Tron-Gründer ist Ugur Sahin, Chef des ebenfalls in Mainz sitzenden Unternehmens Biontech, das mit seinem Corona-Impfstoff bekannt wurde und an Krebstherapien arbeitet.
Der Geschäftsführer der Tron gGmbH, Matthias Gaida, nennt die neuen Beschleuniger «einen bedeutenden Fortschritt für die onkologische Versorgung und die translationale Forschung». Für Tron eröffne sich die Möglichkeit, Forschungsprojekte insbesondere in der personalisierten Medizin noch enger mit klinischen Anwendungen zu verzahnen. Dank hochpräziser Strahlentechnologie könnten neue Kombinationstherapien, etwa aus Strahlen- und RNA-basierten Immuntherapien, direkt am Patienten evaluiert werden.
Meistens wird mit Kombi-Therapien gearbeitet
Ralf Kiesslich, Vorstandschef der Unimedizin, sagte, heute werde Krebs viel personalisierter behandelt als früher. Es sei ein Ringen um die beste Therapie für jeden Einzelnen. Oft werde mit Kombinationstherapien gearbeitet, erklärte der Direktor der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Heinz Schmidberger. Bestrahlungen könnten etwa den Weg ebnen für eine folgende Immuntherapie. Körpereigene T-Zellen könnten dann leichter in Tumorzellen gelangen und diese bekämpfen.
Gekostet haben das neue Gerät sowie die Aufrüstung des zweiten Beschleunigers nach Angaben der Unimedizin rund 4,7 Millionen Euro. Sie geben die Strahlung über einen großen Gerätearm ab, der sich um den Patiententisch dreht.
Für alle Krebsarten einsetzbar
Genutzt werden sollen die Geräte künftig im Verbund des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT), unter dessen Dach alle onkologisch tätigen Einrichtungen der Unimedizin Mainz kooperieren. Zum Einsatz werden sie zur Therapie aller Krebsarten kommen, besonders häufig etwa zur Behandlung von Prostatakarzinomen, Kopf-Hals-Tumoren, Lungenkarzinomen, Brustkrebs oder gefährlichen Leukämie-Formen, bei denen eine Ganzkörperbestrahlung nötig ist. Auch hochdosierte Bestrahlungen von Metastasen sind möglich.
Die Linearbeschleuniger sind in einem Keller auf dem Gelände der Universitätsmedizin untergebracht - der Strahlung wegen. (Archivbild) | Andreas Arnold/dpa
Linearbeschleuniger an sich seien in vielen Krankenhäusern in Deutschland im Einsatz, seien Standard-Arbeitstiere in der Strahlentherapie, sagte Ursula Nestle, Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie und Radiologische Onkologie bei den Kliniken Maria Hilf in Mönchengladbach und Vorsitzende in der Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft. Allerdings seien die Exemplare in Mainz welche der neuesten Generation.
Genaue Bildgebung bringt viele Vorteile
Bei Beschleunigern wie denen in Mainz könne mit modernster Bildgebung in Echtzeit geschaut werden, wie es gerade im Körper aussehe. So könne reagiert werden, wenn sich zum Beispiel während der Bestrahlung eines Prostata-Karzinoms die Blase fülle, oder wenn der Tumor während der Behandlung kleiner werde.
Die Geräte stoppten die Bestrahlung zum Beispiel auch von selbst, wenn etwa der Patient während der Behandlung atme und sich so der Tumor kurzfristig durch die Atembewegung minimal verschiebe. Solch moderne Linearbeschleuniger seien darüber hinaus sehr gut geeignet für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Diese könne etwa bei der Erstellung des Bestrahlungsplans, der festlege, wo und wie die Bestrahlung im Körper gesetzt werden soll, helfen. Früher sei hier vieles quasi in Handarbeit gemacht worden, nun sei es am Menschen, die KI-Vorarbeit am Ende noch zu kontrollieren. Das beschleunige Abläufe, sagte Nestle.
Es genüge aber nicht, einfach nur ein solch modernes Gerät in eine Klinik zu stellen. Es brauche auch Personal, das dieses mit all seinen Möglichkeiten bedienen könne. Mainz sei ein Standort mit viel Expertise in der Strahlentherapie und Krebsforschung. Mit jedem Gerät werde mehr gelernt für Behandlungen der Zukunft.
dpa
Bild: Der neue Linearbeschleuniger soll Behandlungen von Krebspatientinnen und -patienten schneller und präziser machen. | Christian Schultz/dpa
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