
Starke Kostensteigerungen bei Energie und Angst vor Engpässen bei der Gasversorgung
Preisexplosion und Angst um Erdgaslieferung machen Firmen zu schaffen
Montabaur/Frankenthal/Ludwigshafen (dpa/lrs) - Ein riesiges Loch mit Baggern, Förderbändern und Lastwagen. Unternehmer Stephan Schmidt steht an seiner Tongrube im Westerwald und weist anschaulich auf die Folgen der jüngsten Energiepreisexplosion hin: Die großen Bergbau-Maschinen brauchen viel Diesel und die Trocknungsanlagen für gewonnenen Ton eine große Menge Erdgas. Beides hat sich infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine immens verteuert.
Zudem treffe die geplante Gasumlage ab Oktober «uns als mittelständisches Unternehmen ja hart», sagt Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der Stephan Schmidt Gruppe. Jährlich mehrere hunderttausend Euro Mehrkosten erwarte er.
Die Mehrausgaben für die Umlage einfach komplett an die Kunden weiterzureichen, habe seine Grenzen, «weil wir natürlich sehr im internationalen Wettbewerb stehen und die Gasumlage ja erstmal eine rein deutsche Angelegenheit ist», erklärt der Chef des Tonproduzenten mit 20 Gruben in Deutschland und Hauptsitz im mittelhessischen Dornburg.
Bereits 2021, also vor Kriegsausbruch, habe sein Unternehmen intern ein Energieteam gegründet. Ziel sei, mit erneuerbaren Energien grünen Wasserstoff zu erzeugen. Bis zu 20 Prozent des jetzt benötigten Erdgases könnten damit ersetzt werden, langfristig womöglich auch bis zu 100 Prozent. «Aber das ist ein langjähriger Prozess», sagt Schmidt. Dafür fehle in Deutschland bislang die Infrastruktur, es müsse noch viel geforscht und aufgebaut werden.
Auch beim Frankenthaler Maschinenbauer Howden Turbo blickt man mit Sorge auf die aktuelle Situation. «Wie bei allen Unternehmen ist auch für uns eine größtmögliche Unabhängigkeit von der knapp werdenden Ressource Gas sowie eine massive Senkung unseres Stromverbrauches unser höchstes Ziel», betont Unternehmenssprecherin Gabi Litzbarski in der pfälzischen Stadt. Um dieses Ziel zu erreichen, treffe sich eine «Energy Task Force» regelmäßig. «Es gilt, den erstellten Aktionsplan zu verfolgen, ergänzen und umzusetzen», sagt sie.
Die Wärmeversorgung sowie einzelne Prozessschritte in der Fertigung seien besonders von einer stabilen Gasversorgung abhängig. Probleme macht laut Litzbarski auch die jüngste Energiepreisexplosion. «Für uns wird sich der Strompreis innerhalb von einem Jahr mehr als verdoppeln.» Umso wichtiger sei das «bereits sehr weit fortgeschrittene» Projekt einer Photovoltaikanlage auf fast allen Dächern des Firmengeländes in Frankenthal.
Foto: Thomas Frey/dpa
Zudem baue man in der Fertigung schon seit längerem Alternativen ohne Gas aus, um unabhängiger von dem Rohstoff zu werden. So könnten etwa Turbomaschinen auch elektrisch mit Dampf erprobt werden.
Die Sorgen der beiden Unternehmen sind keine Einzelfälle, macht der Energieexperte Steffen Blaga von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Pfalz klar. «Die größte Herausforderung für die kleinen und mittleren Unternehmen besteht in der aktuellen Situation darin, dass die Energiekosten massiv steigen werden, die konkrete finanzielle Mehrbelastung aber oftmals noch nicht final einkalkuliert werden kann», berichtet er.
Viele Energieversorger seien gerade dabei, ihre Rahmenbedingungen neu zu kalkulieren und ihre gestiegenen Kosten und die zusätzlichen Umlagen an ihre Kunden weiterzugeben, erklärt der Experte. Das führe zu einer großen Planungsunsicherheit vor allem bei denjenigen Betrieben, deren Verträge auslaufen oder verlängert werden müssen. «Klar scheint, dass die Energiekosten mindestens um das Zwei- bis Dreifache steigen werden. Teilweise bekommen wir sogar Rückmeldungen von Steigerungsraten im zweistelligen Faktorbereich», erzählt er. Dies sei für alle Betriebe sehr belastend, verschärfe aber insbesondere auch den Konkurrenzdruck für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stünden.
«Die Sorgen drehen sich aber nicht nur um die Preissteigerungen, sondern auch um die Frage: Was passiert, wenn tatsächlich eine Gas-Mangellage eintritt?», berichtet er aus seinen zahlreichen Beratungsgesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern. In vielen Betrieben frage man sich, mit welchen Gasliefermengen gegebenenfalls noch gerechnet werden könne und ob oder in welchem Maße dann noch die Produktion aufrechterhalten werden könne. «Die Fragezeichen werden von Tag zu Tag größer. Das gilt für die großen wie für die kleinen Unternehmen», betont er.
Angesichts der großen Unsicherheiten beschäftigten sich die Unternehmen aktuell mehr denn je damit, alle Möglichkeiten zum Energiesparen zu identifizieren und zu nutzen. «Das machen aber viele Betriebe - gerade die energieintensiven - bereits seit Jahren. Das Potenzial ist daher bei ihnen nicht mehr allzu groß», weiß Blaga.
Gerade bei den energieintensiven Unternehmen denke man derzeit auch intensiv über einen «Fuel Switch» nach, also den Einsatz von Ersatzenergieträgern wie beispielsweise Öl anstelle von Erdgas. Das wiederum ziehe je nach Ausmaß und Art der alternativen Technologie jedoch behördliche Genehmigungen beispielsweise für Tank oder Öfen nach sich. Es gebe so viele Szenarien, wie sich die Lage weiterentwickeln könnte. Hinzu kämen Beschaffungsengpässe. «Das macht es den Betrieben sehr schwer, die richtige Entscheidung für die Zukunft zu treffen.»
Aktuelle und regionale Berichte mit dem TV Mittelrhein