Forscher aus Rheinland-Pfalz wollen mRNA-Medikamente billiger machen

Große Hoffnung auf mRNA-Therapeutika

Forscher aus Rheinland-Pfalz wollen mRNA-Medikamente billiger machen

Kaiserslautern/Mainz (dpa/lrs) - In der Medizin gilt die mRNA-Technologie als möglicher Schlüssel für die Behandlung und Heilung vieler Krankheiten. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde ihre Anwendung durch den Erfolg des Mainzer Unternehmens Biontech bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs. Doch auch in anderen Bereichen, etwa im Kampf gegen Krebs, setzen Mediziner und Patienten große Hoffnung auf innovative Behandlungsformen auf Basis der Botenmoleküle (mRNA).

Allerdings ist die Produktion derartiger Medikamente teils noch sehr aufwendig. Während sich bei der Herstellung von mRNA-basierten Impfstoffen in Sachen kostengünstiger Massenproduktion seit Corona viel getan hat, ist es bei sogenannten individualisierten Therapien oft noch sehr teuer, entsprechende Medikamente herzustellen.

Das will ein deutschlandweiter Verbund von mehreren Fraunhofer-Instituten ändern. An zentraler Stelle mit dabei ist das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern. «Es geht darum, die Herstellung von mRNA-basierten Substanzen ähnlich zu automatisieren, wie das in der Pharmazeutik heute üblich ist», sagte Institutsleiter Peter Liggesmeyer der Deutschen Presse-Agentur.

Es gibt etliche Anwendungsszenarien, wo mit Hilfe von mRNA-Technik schwere Krankheiten behandelt werden sollen. «Das wohl bekannteste Beispiel ist die CAR-T-Zell-Therapie bei bestimmten Formen von Blutkrebserkrankungen», erklärte der 59-Jährige. Dabei werden - vereinfacht gesagt - Zellen der körpereigenen Abwehr, sogenannte T-Zellen, aus dem Blut eines Patienten entnommen und mithilfe eines mRNA-Verfahrens dazu gebracht, gezielt Krebszellen anzugreifen. «Das kann man nicht wie bei einem Impfstoff nach Schema F machen», betonte Liggesmeyer. «Das wird im Wesentlichen manuell gemacht und ist sozusagen Handwerksarbeit unter extremsten Hygienebedingungen.»

Das sei natürlich sehr aufwendig, erklärte er. Das manuelle Vorgehen hat einen hohen Preis zur Folge: «Ein typisches CAR-T-Zellen-Produkt kostet ungefähr eine Viertelmillion Euro.» Läuft alles gut, ist der Patient mit einer einzigen Behandlung geheilt.

«Die Fraunhofer-Arbeitsgruppe will versuchen, für diese individualisierten Therapieformen auf Basis der mRNA-Technologie durch Automatisierung die Kosten zu senken und die verfügbaren Mengen zu steigern», betonte Liggesmeyer, der einen Lehrstuhl für Software Engineering am Fachbereich Informatik der Technischen Universität Kaiserslautern hat.

Durch eine innovative Anwendung der Automatisierungsprinzipien, dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotern würden CAR-T-Zellen und vergleichbare Therapeutika dann «bezahlbar und besser verfügbar». Ein Nebeneffekt: Je automatisierter die Produktion abläuft, desto weniger Menschen werden dafür gebraucht, womit auch die Gefahr unerwünschter Verschmutzungen der meist in Reinräumen hergestellten Mittel sinkt.

Unter Federführung des IESE in Kaiserslautern ist die «BaSyx»-Middleware entwickelt worden - eine Art Betriebssystem für flexible Produktionsabläufe, die zur Realisierung der variablen mRNA-Herstellungsprozesse verwendet wird. Dieses Open-Source-Projekt hat laut Liggesmeyer bereits eine Reihe von Anwendern.

Um die Automatisierung der Produktionsprozesse zu verbessern, müssen verschiedene Forschungsdisziplinen zusammenarbeiten. Die Federführung bei dem als «Fraunhofer-Leitprojekt» ausgewählten Vorhaben «RNAuto» liegt beim Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig. Die benötigte Steuerungsintelligenz - die Möglichkeit, auf Basis von Informationen Produktionsschritte zu planen - kommt vom IESE in Kaiserslautern.

An «RNAuto» ist auch das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM in Mainz mit seinen dort entwickelten Mikromischern beteiligt. Die mRNA muss, um in die Körperzelle gelangen und dort wirken zu können, verpackt werden. Dies geschieht mit Hilfe winzigster Fetttröpfchen. In den Mainzer Mikromischern werden die Fett- und mRNA-Partikel durch eine raffinierte Kanalstruktur gepumpt und verbinden sich dort auf die gewünschte Weise, wie die zuständige Gruppenleiterin Regina Bleul erläutert. «So können zuverlässig einheitliche, präzise definierte Nanopartikel nahezu ohne Ausschuss produziert werden.» Ein weiterer Pluspunkt der Mikromischer: Sie können sowohl im kleinen Labor als auch in der großen Produktionshalle eingesetzt werden.

Da mRNA-Impfstoffe nicht mit den herkömmlichen Analysemethoden geprüft werden können, werden laut Bleul zudem neue, verlässliche Qualitätssicherungssysteme benötigt. Am Fraunhofer IMM wird daher die genaue Struktur der mRNA-Nanopartikel analysiert und bereits während der Herstellung sowohl Größe als auch Größenverteilung gemessen, um eine «sichere und schnelle Produktion unter Vermeidung von großen Fehlchargen zu ermöglichen», wie die Forscherin weiter erklärte.

Insgesamt arbeiten sieben Fraunhofer-Institute bei «RNAuto» mit. Das Projekt wird bis Ende 2025 von der Fraunhofer-Gesellschaft mit acht Millionen Euro finanziert. Liggesmeyer ist zuversichtlich, dass bis Ablauf des Projekts Ende 2025 konkrete Fortschritte beim Ziel der Automatisierung erreicht werden. «Es ist nicht so, dass wir bei null starten», betonte er. «Wir sehen das als eine Herausforderung, die sich mit schon vorhandenen Forschungsergebnissen unterschiedlicher Institute vernünftig anpacken lässt, die zusammengebracht und ergänzt werden müssen.»

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Datum: 05.09.2022
Rubrik: Corona
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