Kritik und Rücktrittsforderung nach Befragung zu Flutkatastrophe

Die Opposition spricht nach weiteren Befragungen von «Rundumversagen»

Kritik und Rücktrittsforderung nach Befragung zu Flutkatastrophe

Mainz (dpa/lrs) - Nach der erneuten Aussage von Innenminister Roger Lewentz (SPD) im Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe des rheinland-pfälzischen Landtags hat die Opposition ihre Vorwürfe erneuert. Der Ausschuss habe «ein Rundumversagen im Innenministerium und seinen Stäben in den nachgeordneten Behörden deutlich gemacht», teilte die CDU-Landtagsfraktion am Samstag mit. Lewentz habe «sämtliche Hinweise auf das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe ignoriert», erklärte Fraktionschef Christian Baldauf. «Seine Behauptung, er habe kein Lagebild gehabt, ist faktisch falsch.»

Der Minister hatte am Freitag bei seiner Befragung erklärt, in der Nacht der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 im nördlichen Rheinland-Pfalz telefonisch «durchgehend erreichbar und ansprechbar» gewesen zu sein. «Mir lag - wie allen Beteiligten - in der Flutnacht kein vollständiges Lagebild vor», sagte er. «Bis ein Gesamtbild annähernd feststand, dauerte es Tage, was angesichts dieser Katastrophe sicher nicht überraschend ist.»

Der Obmann der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Herber, kritisierte am Samstag, Lewentz sei «den ganzen Flutabend passiv» geblieben. «Es gab keine Lagebesprechung im Innenministerium, keine Krisenbesprechung und auch der Krisenstab der Landesregierung wurde zu spät aktiviert.»

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Michael Frisch, forderte Lewentz zum Rücktritt auf. Als Innenminister und Chef der obersten Aufsichtsbehörde trage er «die politische Verantwortung für das Organisationsversagen der ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) und des ihm unmittelbar unterstellten Lagezentrums».

Aus Sicht der SPD brachte die erneute Befragung keine neuen Fakten. Diese seien im Ergebnis klar, sagte SPD-Obmann Nico Steinbach: «Der Innenminister hat in der Flutnacht alles getan und veranlasst, was auf Grundlage der in der akuten Lage vorliegenden Erkenntnisse als erforderlich angesehen werden konnte», erklärte Steinbach laut Mitteilung. Rücktrittsforderungen entbehrten «jedweder Grundlage».

Diese waren nach den Befragungen im Ausschuss am Vortag auch gegen ADD-Präsident Thomas Linnertz erhoben worden. Die Oppositionsfraktionen von CDU und Freie Wähler forderten ihn zum Rücktritt auf. «Er hat sich kein ausreichendes Lagebild verschafft», sagte Oppositionsführer Baldauf am Freitag. Er sei «untragbar». Linnertz sei «seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die der ADD vorliegenden Informationen zu sichten und zu bewerten. Das verlange ich von einem Präsidenten», begründete der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, seine Forderung.

Der Präsident hatte im Ausschuss gesagt, die ADD habe in der Flutnacht zur Situation an der Ahr «nur Kenntnis von Einzelereignissen» und kein umfassendes Lagebild gehabt. Die ADD habe versucht, über die verschiedenen Leitstellen und Technischen Einsatzleitungen vor Ort Informationen über die Lage zu bekommen.

«Wir sind davon ausgegangen, dass die Technische Einsatzleitung des Kreises die Lage bewältigen kann», so seine Begründung, warum er keinen Grund sah, bereits in der Nacht die Einsatzleitung vom Kreis zu übernehmen. Für diese Einschätzung hätten auch die Anforderungen des Kreises gesprochen. «Wir müssen uns darauf verlassen, was können uns die Technischen Einsatzleitungen liefern, um eine Lage gut bewerten zu können.»

Bei der Flutkatastrophe waren mindestens 135 Menschen im nördlichen Rheinland-Pfalz ums Leben gekommen, darunter 134 im Ahrtal. 766 Menschen wurden verletzt. Auf einer Länge von 40 Kilometern an der Ahr wurden Straßen, Brücken, Gas-, Strom- und Wasserleitungen und rund 9000 Gebäude zerstört oder schwer beschädigt. Allein im Ahrtal sind rund 42 000 Menschen betroffen, landesweit etwa 65 000.

Foto: Sascha Ditscher/dpa 

Aus der Region Koblenz immer aktuell mit TV Mittelrhein.

Datum: 25.09.2022
Rubrik: Gesellschaft
Das könnte Sie auch interessieren