Abriss einer der ältesten Brücken im Ahr-Flutgebiet wohl besiegelt

Die Nepomuk-Brücke symbolisiert wie kaum ein anderes Baudenkmal die Tragik der Ahrflut

Abriss einer der ältesten Brücken im Ahr-Flutgebiet wohl besiegelt

Rech (dpa/lrs) - Einsam wacht der steinerne St. Nepomuk auf der Brüstung der gleichnamigen Brücke in Rech im Ahrtal. Dem Wahrzeichen des Winzerdorfs hat das Hochwasser im Juli 2021 den vierten Bogen und St. Nepomuk den Kopf weggerissen. Inzwischen symbolisiert die Brücke - eine der ältesten im Tal - wie kaum ein anderes Baudenkmal die Tragik der Ahrflut mit mindestens 134 Toten und Tausenden verwüsteten Häusern. Der abgetriebene und von einem Baggerführer entdeckte Nepomukkopf ist wieder auf die Statue gesetzt worden. Dennoch hat wohl das letzte Stündchen für die Brücke aus dem 18. Jahrhundert geschlagen. Auch das Schicksal der ebenfalls denkmalgeschützten Ahr-Querungen in Dernau, Schuld und Dümpelfeld steht in den Sternen.

Bei der Ahrflut haben die historischen Ahrbrücken mit ihren mächtigen Pfeilern weggeschwemmte Baumstämme, Autos, Campingwagen und Öltanks aufgehalten und so den Pegelstand noch deutlich erhöht - bis die zusätzlichen Wassermassen hier durchgebrochen sind. Im 550-Einwohner-Dorf Rech etwa hat das eine Frau das Leben gekostet, wie der parteilose Ortsbürgermeister Benjamin Vrijdaghs berichtet.

Erhalt als Mahnmal, teure Komplettsanierung oder Abriss der Nepomuk-Brücke? Diese Frage hat das Ahrtal gespalten. Befürworter haben Unterschriften für den Erhalt des Kulturdenkmals gesammelt, das schon andere extreme Hochwasser überstanden hat. Auch Vrijdaghs hängt an der bruchsteingemauerten Steinbogenbrücke: «Das Herz weint.» Er betont: «Ich verstehe aber auch die Leute, die sagen, dass sie nicht täglich von der Brücke an ihre Todesangst bei der Flut erinnert werden wollen.» Der Recher Winzer Alexander Stodden erklärt ebenfalls: «Bei vielen hängt das Herz an der Brücke. Aber sie hat Leid gebracht und wird es wieder tun.»

Es geht um das Risiko bei neuen Überschwemmungen und um die starken Beschädigungen der Brücke. «Die Ahr verjüngt sich gerade dort, bei einer Flut könnte es an den breiten Brückenpfeilern wieder zu viel Aufstauung kommen, die Sicherheit muss vorgehen», hat Vrijdaghs im Oktober 2022 unter Berufung auf ein hydrologisches Gutachten gesagt.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) teilt der Deutschen Presse-Agentur mit, Bürgermeister und Bürger hätten «ein gutes Gespür dafür, was bei schwierigen Abwägungen im eigenen Dorf zu tun ist». Das Sicherheitsgefühl sei im Ahrtal tief erschüttert. «Auch wenn ein Abriss zwar aus dem Blickwinkel der Denkmalschützer zu bedauern ist und auch einen Teil der Erinnerung an das frühere Ortsbild nimmt, so wäre eine neue Brücke doch auch ein Zeichen in Richtung Neuanfang», ergänzt Ebling.

Im November hat der Kreis Ahrweiler den Abbruch der Nepomuk-Brücke genehmigt. Zwar sei sie «ein für das Ahrtal sehr bedeutendes Kulturdenkmal». Doch die Prüfung von Experten habe ergeben, «dass Belange des Hochwasserschutzes, bei denen es letztlich um den Schutz von Menschenleben geht, die Belange des Denkmalschutzes überwiegen».

Ein Gutachten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz kommt zu einem anderen Ergebnis. Die historischen Brücken in Rech, Dernau, Dümpelfeld und Schuld könnten demnach «unproblematisch und machbar» erhalten werden - ohne erkennbare «akute Bedrohung» und dabei geldsparend und tourimusfördernd. Die Studie empfiehlt Wasserrückhalteflächen, zusätzliche Kanäle und Erweiterungen des Flussbetts. Bei der Nepomuk-Brücke schlägt sie «einen bewusst neuartig konzipierten Brückenteil ohne Pfeiler vor».

Annette Liebeskind, Leiterin der Abteilung Denkmalförderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, sagt: «Da ist sowieso das Ufer von der Flut weggerissen worden, da könnte man es bei der Neugestaltung auch untertunneln für einen zusätzlichen Wasserdurchfluss.» Die Flut hat auch hier Häuser weggeschwemmt - nun gibt es mehr Platz.

Vrijdaghs, im Hauptjob Berufssoldat, hat Experten der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord das Gegengutachten prüfen lassen. Ergebnis laut dem Bürgermeister: Diese Studie berücksichtige zu wenig das Hochwasserrisiko. Die SGD verweise auch auf die Erkenntnisse von Tauchern, wonach die Nepomuk-Brücke wegen Unterspülungen nicht mehr standsicher sei.

Vrijdaghs teilt daraufhin seinen Bürgern schriftlich die Gefahr mit, «dass die Brücke bei einem ganz normalen Winterhochwasser sofort einstürzen kann». Am Abriss führe daher kein Weg vorbei. «Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, ob wir Steine der Brücke verwenden wollen, beispielsweise für den Aufbau des Bildstocks, in einer Wand des neuen Dorfgemeinschaftshauses oder ähnliches», schlägt Vrijdaghs vor.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz zeigt sich entsetzt. Die Behauptungen Vrijdaghs' seien unrichtig und verunsicherten die Bevölkerung weiter unnötig, teilt sie mit. Dem Bürgermeister wirft die DSD «eine Verdrehung der längst bekannten Tatsachen» vor. Im von der Stiftung beauftragten Gutachten seien die Taucherberichte ebenso berücksichtigt, wie der dringende Sicherungsbedarf unzweideutig festgestellt worden sei.

Der dpa sagt Vrijdaghs, er sei froh über die endgültige Abrissentscheidung. Die gesamte Dorferneuerung sei wegen der Brücke gelähmt worden, inklusive der Planung einer neuen Querung an anderer Stelle. Derzeit gibt es in Rech nur eine Notbrücke. Bei der historischen Brücke werde geschaut, ob erst Wasserfledermäuse umgesiedelt werden müssten. Dann könne es im ersten Quartal 2023 zum Abbruch kommen. Die Kosten in wohl niedriger sechsstelliger Höhe decke der Wiederaufbaufonds von Bund und Ländern.

Der Abrisstag wird für viele Ahrtalbewohner ein trauriger Tag sein. Auch für die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Abteilungsleiterin Liebeskind hätte sich über die Erhaltung wenigstens als Brückenfragment gefreut. Sie verweist auf die Brückenruine von Avignon in Frankreich: «Die ist ja weltweit bekannt.»

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Datum: 29.11.2022
Rubrik: Gesellschaft
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