Tötung von Frauen - Wie die Prävention in Rheinland-Pfalz aussieht

Femizide, Frauenhäuser und Hochrisikomanagement

Tötung von Frauen - Wie die Prävention in Rheinland-Pfalz aussieht

Mainz (dpa/lrs) - Ein Ehemann erdrosselt mutmaßlich seine Frau in Mainz mit einer Mullbinde, ein 34-Jähriger soll seine frühere Lebensgefährtin mit einem Hammer und Messer in Neuwied getötet haben und ein Bundeswehrsoldat wird wegen des Mordes an seiner Ex-Freundin verurteilt. Solche Fälle von tödlicher Gewalt gegen Frauen machen auch in Rheinland-Pfalz immer wieder Schlagzeilen. Sie werden auch als Femizide bezeichnet - doch was steckt hinter dem Begriff?

Femizid bedeutet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet werden – also weil sie Frauen sind. Als häufigste Form gilt die Tötung von Frauen durch Partner oder Ex-Partner. Darüber hinaus spricht man von Femiziden etwa auch dann, wenn Frauen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität oder etwa vermeintlich im Namen der «Ehre» getötet werden. 

Der Begriff soll verdeutlichen, dass ein gesellschaftliches Problem hinter den Einzelfällen steht. Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) Rheinland-Pfalz stehen Femizide im Kontext geschlechtsspezifischer Macht, Kontroll- und Hierarchieverhältnisse. «Femizide werden überwiegend durch männliche Partner oder Ex-Partner verübt», teilt das LKA mit.

Wie oft kommt so was vor?

Das rheinland-pfälzische Frauenministerium erfasst lediglich Zahlen zu Tötungen in engen sozialen Beziehungen - und unterscheidet dabei nicht nach Geschlecht. So gab es 2022 zwei Morde, eine fahrlässige Tötung und acht Fälle von Totschlag und Tötung auf Verlangen in engen sozialen Beziehungen.

Ein Blick auf andere Gewaltformen zeigt, dass in den allermeisten Fällen Frauen Opfer sind. 2022 gab es laut Frauenministerium im Bundesland rund 8900 Fälle von Gewalt in engen sozialen Beziehungen - also etwa Körperverletzung, Bedrohung, Stalking, Vergewaltigung oder Mord und Totschlag. Am häufigsten waren Ex-Partner und Ehepartner die Täter. Rund 7100 der Opfer waren weiblich. Für Deutschland gibt es noch genauere Zahlen: Laut Bundesfrauenministerium wurden 2022 jede Stunde 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Fast jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner eine Frau zu töten.

Was wird dagegen getan?

«Femizide sind die Spitze des Eisbergs», sagt Karin Faber, Koordinatorin der Konferenz der Frauenhäuser. «Davor passiert ganz viel in der Gewaltspirale.» Doch wie können Femizide und generell Partnerschaftsgewalt verhindert werden?

In Rheinland-Pfalz gibt es schon seit 2000 «Das Rheinland-Pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen», kurz RIGG. «Es ist ein breites Netzwerk aus Frauenunterstützungseinrichtungen, Täterarbeitseinrichtungen, staatlichen Stellen und vielen mehr, das stetig weiterentwickelt und ausgebaut wird», erklärt Frauenministerin Katharina Binz (Grüne). 

In dem Projekt gibt es beispielsweise 23 regionale Runde Tische, bei denen etwa Polizei, Frauenhäuser, Interventionsstellen, Frauennotrufe, Justiz, Jugendämter und Arbeitsämter zusammenkommen. Hinzu kommt ein landesweiter Runder Tisch. Sogenannte Interventionsstellen melden sich nach Polizeieinsätzen proaktiv bei betroffenen Frauen, um sie zu beraten. 

Ein wichtiger neuer Baustein des RIGGs ist ein Projekt namens «Second Stage». Dabei wird den Frauen vom Frauenhaus eine Wohnung vermittelt und die Betroffene weiter beraten und begleitet. «Die Frauenhäuser sind ja alle anonymisierte Adressen, aber in diesen "Second Stage"-Wohnungen sind die Adressen bekannt», sagt Faber. Dadurch könnten die Frauen diese etwa einem Arbeitgeber oder dem Arbeitsamt melden. 

«Frauen, die den Schutz im Frauenhaus nicht mehr benötigen, können im Rahmen des Modellprojekts "Second Stage" einen Schritt in die Eigenständigkeit gehen, ohne schon völlig auf sich gestellt zu sein», erklärt Binz. «Das wirkt stabilisierend und nimmt die Angst vor diesem Schritt. Außerdem erhoffen wir uns, dass die Frauen dann seltener zu dem Gewalttäter zurückkehren.»

Wie sieht es in den Frauenhäusern aus?

Das Projekt hat auch einen weiteren Vorteil: Die raren Plätze in den Frauenhäusern werden unter Umständen schneller wieder frei. Laut Faber gibt es zurzeit 18 Frauenhäuser in Rheinland-Pfalz mit 118 Familienplätzen. «Und es müssten 410 in Rheinland-Pfalz sein, nach der Istanbul-Konvention», sagt sie. «Sobald ein freier Platz ist, bekommen wir den innerhalb kürzester Zeit wieder belegt.» Die Frauenhäuser seien fast immer voll belegt. Auch die Verweildauer verlängere sich, weil die Wohnungssituation so schwierig sei.

Viele Frauen hätten schon über viele Jahre Gewalt erduldet, bevor sie ins Frauenhaus kommen würden. «Primär ist das Ziel, dass sie zur Ruhe kommt, dass sie den Schutzraum hat», sagt Faber. Danach unterstützten die Mitarbeiterinnen auch bei allen Fragen, Verwaltungsabläufen und der Organisation, etwa von Fragen zu Kindern. 

«Es müsste schon in Kitas und Schulen thematisiert werden, dass Gewalt keine Lösung ist und auf stereotype Rollenzuweisungen hingewiesen werden», sagt Faber. Bei den Kindern setzt auch das Konzept der Kinderinterventionsstellen an, die innerhalb des RIGGs etabliert wurden und sich an Kinder aus gewaltbetroffenen Familien richten. «Kinder bekommen hier niedrigschwelligen Zugang zu einer eigenständigen Beratung», sagt Frauenministerin Binz. «Das ist sehr wichtig, damit der Gewaltkreislauf früh unterbrochen wird.»

Doch was, wenn das alles nicht reicht?

Um konkrete Fälle von Femiziden zu verhindern, gibt es in Rheinland-Pfalz seit 2015 das Hochrisikomanagement - zunächst als Modellprojekt, mittlerweile aber an allen Standorten landesweit. Laut LKA werde das Hochrisikomanagement dann angewandt, wenn Hinweise auf fortgesetzte schwere Gewalt oder drohende Tötungen vorliegen. «Ziel ist es dabei, Risikomerkmale bei Beziehungsgewalt frühzeitig zu erkennen, diese Gewalt zu deeskalieren, sie möglichst zu beenden sowie präventiv weitere Taten zu verhindern», teilt das LKA mit. «Die Fallkonferenzen finden in regelmäßigen Abständen statt – können aber auch kurzfristig, beispielsweise bei dringendem Handlungsbedarf, einberufen werden.» Das Hochrisikomanagement soll laut Frauenministerium zur Prävention von schwerster Gewalt wie Mord und Totschlag beitragen.

 

Regionale News aus Koblenz

Datum: 12.03.2024
Rubrik: Gesellschaft
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