
Schmusebacken und Seelentröster: Esel kuscheln gegen Stress
Bambino und Bolle warten schon: Auf dem Begegnungshof Tierliebe in Thür können gestresste und ängstliche Menschen Zuflucht bei Eseln und Ponys suchen. Die Besitzer haben schon viel erlebt.
Thür (dpa/lrs) -
Der braun-graue Esel Bambino streckt seinen Kopf über das kleine Tor und schaut neugierig in den kleinen Raum. Kurz darauf kommt der große weiße Esel Bolle an das Tor und wackelt mit dem Kopf von links nach rechts. Sie können anscheinend kaum erwarten, dass die Besucher durch das Tor in ihren Stall treten.
An fremde Menschen sind die vier Esel, zwei Shetlandponys und zwei Ziegen bei dem Begegnungshof Tierliebe Thür (Landkreis Mayen-Koblenz) gewohnt. Auf dem Hof können ängstliche oder gestresste Menschen zum Kuscheln mit Eseln vorbeikommen. Die Esel sind «Schmusebacken, Clowns, Seelentröster und Stressmanager», schreibt der Hof.
Der große Bolle ist sehr sanftmütig. | Thomas Frey/dpa
Im nördlichen Rheinland-Pfalz gibt es mehrere Angebote zum Stressabbau mit Tieren. In der Landesbibliothek können Studierende etwa eine «Pause mit Pfötchen» machen und gegen den Stress mit einem Hund kuscheln und spielen. Außerdem gibt es im Tierheim Koblenz ein Katzen-Café. Viele Tierheime freuen sich auch über Freiwillige zum Gassigehen.
Kinder sind mit Begeisterung dabei
Brigitte Dreiser und Denise Rohweder arbeiten beide in der Kita und betreiben den Begegnungshof in Thür ehrenamtlich. Dreiser erzählt, dass sie als Leiterin auch einen Tierclub in der Kita macht. «Da haben wir immer alles erst theoretisch besprochen und dann habe ich gesagt: "Und dann, wenn wir fertig sind, dann dürft ihr mal zu uns kommen."»
Sie habe gewollt, dass die Kinder alles mitmachen, nicht nur die schönen Sachen, sondern auch etwa das Abäppeln – also den Kot wegmachen. «Dass sie einfach auch sehen, was alles dazu gehört», sagt die 60-Jährige. «Und die waren so toll mit Begeisterung dabei.»
Sie war schon immer ein Eselmensch, sagt Denise Rohweder. | Thomas Frey/dpa
Der Besuch war für die beiden ein voller Erfolg. «Auch die wildesten Kerle waren ganz ruhig geworden und die zickigsten Mädels waren auf einmal ganz behutsam», sagt Dreiser. Daraufhin hätten sie beschlossen, das Angebot auszubauen.
«Den Alltag vergessen und runterkommen»
Seitdem habe es die unterschiedlichsten Menschen zu ihnen gebracht. Kinder, Erwachsene, Familien, Menschen mit Beeinträchtigungen, mit Ängsten und Pärchen seien schon da gewesen, erzählen beide Frauen. Auch einen Kindergeburtstag haben sie schon ausgerichtet.
Erst kürzlich sei eine Mutter mit drei Kindern dagewesen, eines habe eine soziale Phobie und eines sei überängstlich, erzählt Dreiser. Nach dem Besuch sei eines der Kinder aber total entspannt gewesen, habe ihr die Mutter erzählt. «Und dann war ich mit dem Pärchen spazieren und die waren vorher auch schon so ein bisschen unsicher und dann haben sie gesagt: „Oh, danke. Wir sind jetzt total geerdet."», erinnert sie sich. «Das war so schön. Und da kann man mal den Alltag vergessen und runterkommen.»
Esel sind auch Arbeit – Bolle möchte gepflegt werden. | Thomas Frey/dpa
Für jeden Menschen gebe es den passenden tierischen Gegenpart, erzählt Dreiser. «Der Wolle und der Gustav, die zwei Großen, die sind auch ziemlich tiefenentspannt. Mit denen kann man auch gut spazieren gehen», sagt sie. Bambino sei dagegen sehr feinfühlig und der «Kuschelkönig», sagt Rohweder. «Die Ponys sind noch sehr jung und dann sind die schon mal was wilder», sagt Dreiser. «Man sagt ja auch, der Mensch sucht sich nicht den Esel aus, sondern der Esel den Menschen.»
«Ein Junge, der so ein bisschen überängstig war, der kam ein Jahr lang jeden Samstag und hat bei allem mitgeholfen: Abäppeln, füttern, Essen zubereiten, striegeln, ja alles», erzählt Dreiser. «Und da hat der Vater gesagt, er ist ein ganz anderer Junge geworden, viel selbstbewusster.»
Ein paar Minuten im Stall und bei Brigitte Dreiser sind alle Sorgen vergessen. | Thomas Frey/dpa
Jeder Besuch laufe anders ab - je nachdem was die Besucherinnen und Besucher gerne machen möchten. Man könne nur streicheln, aber auch Striegeln, im Stall helfen oder Spazierengehen. «Also meistens zeigen uns die Leute schon, was sie denn sich wünschen, wenn sie hier sind», erklärt Rohweder. Manchen reiche es, die Tiere zu streicheln. «Ich hatte auch schon eine Frau, die hat sich noch nicht mal wirklich an die Esel getraut», erinnert sich die 45-Jährige. «Die war dann sehr ängstlich und der hat es dann schon gereicht, die einfach nur zu beobachten.»
Den entspannenden Effekt merken die beiden auch selbst. Wenn es einem schlecht geht oder man irgendwie nicht so gut drauf sei, helfe es, zu entspannen, sagt Rohweder. Sie selbst sei schon immer ein Eselmensch gewesen. «Nach ein paar Minuten merkt man schon, dass die Stimmung dann wirklich steigt. Und die merken das dann auch. Wenn es einem nicht gut geht, dann kommen die auch noch viel mehr.»
dpa
Bild: Füttern, Kuscheln, Spazierengehen - all das können die Menschen mit den Tieren machen. | Thomas Frey/dpa
Berichterstattung regional und aktuell aus Koblenz und der Region Mittelrhein.