
Hilfe per Videokonferenz – Telenotärzte im Einsatz
Notfallversorgung per Video: Telenotärzte können Besatzungen von Rettungswagen bei Einsätzen unterstützen - für mehr Patientensicherheit und schnellere Hilfe im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz.
Mainz (dpa/lrs) -
Ein System aus digital zuschaltbaren Notärzten in Rettungswagen soll die Notfallversorgung im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz mit teils weiten Entfernungen verbessern. Nach und nach sind im Land vier Standorte für Telenotärztinnen und -ärzte aufgebaut worden.
Auf einen Pilotbetrieb an der BG-Unfallklinik in Ludwigshafen folgten in den vergangenen Jahren Kliniken in Trier, Kaiserslautern und Mainz. Seit dem 6. Oktober 2025 läuft das System im 24-Stunden-Betrieb und wurde nun offiziell vorgestellt.
Wie funktioniert das Ganze?
Nicht immer kann ein Notarzt bei einem Notfall vor Ort sein und nicht immer ist das nötig. Genau für solche Fälle ist das neue Telenotarzt-System gedacht, das Rheinland-Pfalz eigenen Angaben zufolge als bundesweit erstes Flächenbundesland landesweit eingeführt hat.
Konkret können Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter aus dem Rettungswagen einen Telenotarzt digital zuschalten. In einer Videokonferenz tauschen sich beide Seiten aus; sofern es der Zustand erlaubt, spricht der Telenotarzt auch direkt mit dem Patienten oder der Patientin.
Grob geht es vor allem um Situationen, in denen keine akute Lebensgefahr besteht, aber ärztliches Wissen benötigt wird, etwa wenn ein Patient mehrere Vorerkrankungen hat, die zu beachten sind. Das treffe in ganz Deutschland auf eine beträchtliche Zahl an Einsätzen zu, sagt Thomas Luiz, Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Notfallmedizin am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE.

Vorreiter war die BG-Unfallklinik Ludwigshafen, zuletzt kam unter anderem noch die Unimedizin Mainz dazu. (Archivbild) | Andreas Arnold/dpa
Mit dem neuen System soll auch erreicht werden, dass Notärzte für akute Notfälle frei bleiben. Zugleich bringt es räumliche Flexibilität: Ein Rettungswagen in der Eifel kann etwa mit einem Telenotarzt in Kaiserslautern oder Mainz verbunden werden.
Zwischen Rettungswagen und Telenotarzt können wichtige Unterlagen wie Medikationspläne ausgetauscht werden; auch EKGs sowie Vitaldaten wie Blutdruck oder Puls sind in Echtzeit einsehbar.
Beim Informationsaustausch zwischen dem Rettungswagen und dem Telenotarzt müssen gewisse Grundregeln beachtet werden. Von einem Rettungssanitäter übermittelte Infos oder Daten würden vom Telenotarzt in der Videokonferenz stets wiederholt, erklärt Luiz. Das sei wie in der Luftfahrt und diene dazu, sicherzustellen, dass es keine Missverständnisse gebe.
Wie läuft der Betrieb ganz konkret?
Die Rettungswagenbesatzung und der Telenotarzt werden über eine App zusammengeschaltet; die Kommunikation ist wegen der sensiblen Gesundheitsdaten verschlüsselt. Zwischen 7.00 und 19.00 Uhr stehen zwei Telenotarztzentralen bereit, nachts eine. Die vier Standorte wechseln sich mit Bereitschaftsdiensten ab.
Getestet wurde das System ab Juli 2023 an der BG-Unfallklinik Ludwigshafen, im Oktober 2024 kam das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier hinzu. Seitdem gab es einen Zwölf-Stunden-Betrieb an sieben Tagen in der Woche. Seit dem Beitritt der Universitätsmedizin Mainz und des Westpfalz-Klinikums Kaiserslautern im Oktober dieses Jahres läuft das System rund um die Uhr.
Das sei auch sehr wichtig, betonte Luiz. Derzeit gebe es etwa acht bis neun Telenotarzt-Einsätze am Tag sowie rund vier in der Nacht; am späten Abend würden die Telenotärzte regelmäßig angefordert. Der für den Rettungsdienst zuständige Innenminister Michael Ebling (SPD) sagte, Telenotärzte seien eine bedeutende Ergänzung im Mix der Rettungsmittel, aber natürlich kein vollständiger Ersatz der Notärzte vor Ort.

Innenminister Ebling spricht von einer «neuen Ära der Notfallversorgung». (Archivbild) | Arne Dedert/dpa
Was sind ganz konkrete Anlässe für den Einsatz eines Telefonarztes?
Bei der Vorstellung des Projekts in Mainz wurde ein Rettungswagen-Einsatz auf dem zentralen Schillerplatz der Landeshauptstadt simuliert. Ein Patient klagt über Unwohlsein und Brustschmerzen, einiges deutet auf einen Herzinfarkt hin, er ist bei Bewusstsein. Der Rettungswagen wird mit der Telenotarztzentrale in Ludwigshafen verbunden, die dortige Notärztin tauscht sich mit der Besatzung und dem Patienten aus, betrachtet einige Daten, fragt nach Allergien oder Unverträglichkeiten und empfiehlt dann eine Medikation und eine weitere Abklärung des Zustands des Mannes in einem Krankenhaus.
Neben Einsätzen, bei denen Rettungssanitäter eine allgemeine Beratung oder Beurteilung des Zustands des Patienten benötigen, kann ein Telenotarzt auch bei Verlegungseinsätzen von einer in eine andere Klinik zugeschaltet bleiben, um gegebenenfalls eingreifen zu können. Zudem kann er in Fällen helfen, in denen Patienten einen Transport ins Krankenhaus ablehnen.
Dass Telenotärzte mit ihrer Expertise das Rettungssystem entlasten können, zeigen Luiz zufolge die bisherigen Erfahrungen. Demnach konnten rund 40 Prozent der Patienten letztlich dort bleiben, wo sie waren, es brauchte keine Fahrt ins Krankenhaus, was Notaufnahmen entlasten kann. Und lediglich in vier Prozent der Fälle wurde doch noch ein Notarzt in Präsenz angefordert.
Was war und ist Voraussetzung für das System?
Wichtig ist dafür eine technisch identische Ausstattung der Rettungswagen im Land – egal, von welcher Hilfsorganisation sie gestellt werden, wie Luiz sagte. In Rheinland-Pfalz habe es vergleichsweise früh telemedizinische Pilotprojekte gegeben: 2021 seien alle Rettungsmittel mit Smartphones ausgestattet worden, 2022 folgten Multifunktionsmonitore.
Luiz zufolge brauche es für den Einsatz der Telenotärzte per Videokonferenz ein «gutes LTE-Netz». Noch sei das nicht überall gegeben. In Rheinland-Pfalz wie bundesweit machten Netzlücken allerdings nur bei knapp zwei Prozent der Einsätze das Zuschalten eines Telenotarztes wirklich schwierig.
dpa
Bild: Nicht immer kann ein Notarzt vor Ort dabei sein, digitale Technik kann trotzdem ärztliche Expertise möglich machen. (Symbolbild) | Monika Skolimowska/dpa
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