Natürliche Dynamik soll im Wald den Takt angeben

Künftig soll es keine "Noternte" mehr geben

Natürliche Dynamik soll im Wald den Takt angeben

Mainz (dpa/lrs) - Mit einer Vielzahl von möglichst naturnahen Maßnahmen wollen das Klimaschutzministerium und die staatliche Forstverwaltung dem Patienten Wald beistehen. «Wir brauchen einen Dreiklang für den Wald in Rheinland-Pfalz», sagte Ministerin Katrin Eder im Redaktionsgespräch der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Die Grünen-Politikerin setzt stärkere Akzente in Richtung Naturschutz als ihre Vorgängerinnen.

Die drei Töne in Eders Dreiklang sind

1) große stillgelegte Flächen für natürliche Wildnis wie den Nationalpark Hunsrück-Hochwald,

2) eine Stilllegung von zehn Prozent der Fläche im Staatswald mit dem Ziel funktionierender Ökosysteme und

3) eine nachhaltige Nutzung und Holzwirtschaft im Wald.

«Wir können nicht sagen, dass wir unsere Natur unberührt stehen lassen, und dann Holz importieren, das in anderen Teilen der Welt unter schlechteren Bedingungen angebaut wird», sagte die Ministerin. «Wir wollen, dass die Menschen zum Rohstoff Holz greifen.» Dazu gehöre auch das Bauen mit Holz, zumal Bauen mit Beton sehr energieintensiv sei.

Holz spiele auch eine Rolle beim Heizen, was aber nicht unbegrenzt möglich sei. «Wir können nur das verbrennen, was wieder nachwächst», sagte Eder. Pellets, also gepresste Holzreste aus Sägewerken, könnten die Energiewende mit unterstützen. «Das ist gerade in Häusern sinnvoll, in denen der Einbau einer Wärmepumpe wegen mangelnder Möglichkeiten nicht sinnvoll ist.»

«Dürre und Hitze in diesem Sommer machen deutlich, dass der Umbau zu einem naturnahen Mischwald essenziell ist für den Erhalt der Wälder», sagte der waldpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Fabian Ehmann. Nach der Sommerpause will er «an der Entwicklung von Strategien mitwirken, um die Verdunstung des Wassers durch die höheren Temperaturen zu verringern». Dazu gehöre etwa ein Konzept für die Anlage natürlicher Mulden und Teiche im Wald. «Außerdem sollten wir das Potenzial für die Wiedervernässung von Feuchtgebieten erkunden und Bundes- wie Landesmittel dafür einsetzen.»

Ministerin Eder will Forstleute und Naturschützer im Konflikt über den richtigen Weg der Waldpflege miteinander versöhnen. Ergebnis eines Walddialogs zwischen beiden Seiten war im Mai ein Erlass zu Forstmaßnahmen in Natura-2000-Gebieten. «Die darin vorgesehene Einbindung der Naturschutzbehörden hat vorher vorhandenes Misstrauen abgebaut», sagte Eder. Marcel Rolf Hoffmann von der Bürgerinitiative «Waldwende Jetzt» sprach nach dem Erlass von einem «großen Fortschritt», wenn es bei Zweifeln zu den Folgen forstwirtschaftlicher Maßnahmen eine Verträglichkeitsprüfung gebe.

Ungewohntes Lob vom kritischen Förster Peter Wohlleben fand jetzt außerdem eine Grundsatzanweisung von Landesforsten für den Umgang mit geschädigten Waldflächen: «Das ist ein Riesenschritt nach vorne, wenn es denn so umgesetzt wird.» Die Anweisung richtet sich unter anderem gegen die Räumung von Flächen nach dem massenhaften Befall von Fichten mit dem Borkenkäfer. So wurden auf der Montabaurer Höhe im Westerwald nach früheren Angaben des Umweltministeriums «rund 180 000 Fichten zur Eindämmung der klimabedingten Borkenkäfermassenvermehrung notgeerntet».

Eine solche flächige Räumung im Staatswald wäre nach dieser Anweisung nicht mehr zulässig, sagte Wohlleben. «Es gibt kein Weiter so, weil man sonst in der Problemschleife gefangen ist.» Derart selbstreflektierte Überlegungen kenne er von keiner anderen Forstverwaltung. «Da kann man nur sagen: Wow!»

Im Herbst vergangenen Jahres hatten die Koblenzer Botaniker Dorothee Killmann und Eberhard Fischer kritisiert, es wäre sinnvoller gewesen, die vom Borkenkäfer geschädigten Fichten stehen zu lassen. «Anstatt den Waldboden freizulegen und ihn so ungehindert der Sonneneinstrahlung auszusetzen, hätte man die Fläche der Natur überlassen sollen.» Die Wiederbewaldung, so besagt jetzt die neue Anweisung, «stützt sich auf dem größten Teil der Fläche grundsätzlich auf die natürliche Dynamik mit der vollständigen Einbeziehung der natürlichen Vegetationsentwicklung.»

Mit Spannung erwartet Klimaschutzministerin Eder die Ergebnisse der diesjährigen Waldzustandserhebung. Möglicherweise könnten die Niederschläge im vergangenen Jahr dem Patienten Wald mehr Luft zum Atmen verschafft haben. «Im nächsten Jahr wird es mit der Trockenheit in diesem Sommer dann vermutlich wieder schlimmer.»

Foto: Peter Zschunke/dpa-Zentralbild/dpa

 

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Datum: 31.08.2022
Rubrik: Vermischtes
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