Wie kontrovers Bürokratieabbau sein kann

 

Wie kontrovers Bürokratieabbau sein kann

Bürokratieabbau ist in aller Munde. Wirtschaftsministerin Schmitt weiß, dass der in der Realität zäh sein kann. Aussagen von ihr zu flexibleren Arbeitszeiten stoßen nicht nur auf Zustimmung.

Mainz (dpa/lrs) -

Hemmschuhe in Zeiten einer schwächelnden Ökonomie: Bürokratie und starre Regeln bremsen nach Ansicht der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt Unternehmen aus. Genau an diesen Stellen möchte die FDP-Politikerin ansetzen, stößt dabei aber auch auf Gegenwind im Land, von unterschiedlichen Seiten. 

Schmitt spricht von zu engen Vorgaben sowie vielen Dokumentations- und Berichtspflichten für Unternehmen. Es müsse kritisch geschaut werden, ob das wirklich alles benötigt werde, sagt die Ministerin der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. «Wir müssen Bürokratie abbauen und daran arbeiten, dass gar nicht erst neue entsteht.» Bei einem konkreten Vorhaben stößt sie allerdings nach eigener Aussage auf Widerstand von kommunaler Ebene. Beim Thema der Flexibilisierung von Arbeitszeiten meldet sich der Deutsche Gewerkschaftsbund zu Wort. 

Schmitt für mehr Respekt gegenüber unternehmerischer Leistung

Schmitt sagt: «Was mich nachdenklich stimmt: Bürokratieaufbau ist ein Zeichen von einem Bedürfnis nach Kontrolle, der Dokumentation und letztendlich des Misstrauens.» Sie wünsche sich wieder mehr Respekt gegenüber unternehmerischer Leistung. 

«Statt ständig neuer Gesetze und Vorgaben sollten wir unseren Unternehmen endlich wieder einen Vertrauensvorschuss schenken, der die Wirtschaft entfesselt, so dass Unternehmen auch wieder eine gewisse Handlungs- und Gestaltungsfreiheit haben», fordert Schmitt, die auch FDP-Landeschefin ist. 

«Auf eine Eintragung im Handelsregister wartet man locker mal zwei Monate», kritisiert sie. Die sei aber die Voraussetzung dafür, ein Geschäftskonto zu eröffnen. «Wir sind da noch in einem Tempo, das einfach nicht mehr in die Zeit passt.» Es müsse viel stärker geschaut werden, ob an der ein oder anderen Stelle Künstliche Intelligenz eingesetzt werden und Entlastung bringen könne. 

Diskussionen um Genehmigungen für Groß- und Schwertransporte 

Auf Landesebene habe ihr Ministerium zuletzt Erleichterungen für eine schnellere Planung von Brücken und Radwegen auf den Weg gebracht. Agrarstatistiken für Landwirte und Kommunen seien abgeschafft worden, um Betriebe und Rathäuser zu entlasten. Schwierig gestalte sich dagegen ihr Vorhaben, Genehmigungen für Groß- und Schwertransporte zu erleichtern und zu beschleunigen. 

«Da liegt es an der kommunalen Ebene, die sagt, sie bekommen für Genehmigungen Einnahmen», sagt die FDP-Politikerin. Von manchen Landräten werde die Debatte sehr einseitig geführt. Oft werde nicht gesehen, welche Verbesserungen landesweit zentralisierte Genehmigungen bringen würden. Es gehe um die Bündelung und den Aufbau von Kompetenzen und die Entlastung von Kreisen und Kommunen. 

Ist Zentralisierung der richtige Weg?

Das sieht der Landkreistag anders. «Es ist nach unserer festen Überzeugung ein Irrglaube, dass Zentralisierung Verfahrensabläufe effektiver und effizienter gestaltet», sagt der Beigeordnete Jürgen Hesch. «Vollzug ist aus gutem Grund regelmäßig Aufgabe der kommunalen Ebene, da die Kommunen insbesondere über die notwendigen Ortskenntnisse verfügen und selbstverständlich in engem Austausch mit ihren Unternehmen stehen.» 

Wie können Genehmigungen für Schwertransporte beschleunigt werden? Das Thema treibt Ministerin Schmitt um. (Archivfoto)

Wie können Genehmigungen für Schwertransporte beschleunigt werden? Das Thema treibt Ministerin Schmitt um. (Archivfoto) | Thomas Frey/dpa

Dem Ministerium liege seit langem der Vorschlag einer verstärkten interkommunalen Zusammenarbeit zwischen den Landkreisen auf dem Tisch. Und: «Die Reduzierung der Position des Landkreistages auf das Thema Gebühreneinnahmen wird der Bedeutung der Schwertransporte für nicht wenige Unternehmen in Rheinland-Pfalz nicht gerecht.»

Dass solche Transporte von großer Bedeutung sind, darin besteht Einigkeit. Schmitt sagt der dpa, es sei für Unternehmen nicht egal, ob eine Genehmigung für einen Transport vier Wochen länger dauere oder mit einem Klick erledigt sei. «Am Schluss kann das bei großen Auftragsvolumina ein Grund sein, einen Insolvenzantrag zu stellen im schlimmsten Fall», warnt sie. «Wer darauf besteht, dass wir das weiter dezentral machen, der hat den Schuss nicht gehört, in welchem internationalen Wettbewerb wir stehen.» 

Wie auf flexible Lebensmodelle reagieren?

Handlungsbedarf sieht die FDP-Landeschefin auch bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Das würde etwa dem Gastgewerbe helfen, das zur Hauptsaison jede Hand brauche. «Ich hoffe, dass die Bundesregierung auch da ihre Hausaufgaben macht», sagt sie. Das Personal sei in Spitzenzeiten gerne bereit, mehr zu arbeiten, um dann im Winter mal eine längere Pause zu machen oder sich um die Pflege von Angehörigen zu kümmern. «Flexible Lebensmodelle erfordern auch flexible Arbeitszeiten.»

Mehr Flexibilität wünscht sich Schmitt auch beim Renteneintritt oder bei Möglichkeiten, in der Rente etwas dazuzuverdienen. Es gehe ihr nicht um eine Erhöhung des Renteneintrittsalters, sondern darum, dass ein Mensch mit Mitte 60, der noch drei Tage in der Woche arbeiten wolle, dies auch tun könne. «Die starren Regelungen, die wir in der Vergangenheit hatten, die haben manchmal zum Verlust toller Mitarbeiter geführt, die eigentlich noch Lust hatten, sich einzubringen.» Mit Blick auf den Fachkräftebedarf könne man sich starre Regelungen nicht mehr leisten. 

Flexible Arbeitszeiten seien schon jetzt möglich, sagte DGB-Landeschefin Wingertszahn. (Archivfoto)

Flexible Arbeitszeiten seien schon jetzt möglich, sagte DGB-Landeschefin Wingertszahn. (Archivfoto) | Arne Dedert/dpa

Die Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, Susanne Wingertszahn, entgegnet, flexible Arbeitszeiten etwa in der Gastronomie seien bereits möglich - «und zwar im Rahmen von Tarifverträgen». Sie sieht die Gefahr, dass unter dem Deckmantel der Flexibilisierung die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgehöhlt werden. Helfen würde der Wirtschaft, wenn sich die Ministerin und die Landesregierung für die Stärkung der Tarifbindung und damit für passgenaue Lösungen für Branchen und Betriebe einsetzen.

Selbstverständlich sollten Rentnerinnen und Rentner die Möglichkeit haben, auch im Rentenalter Geld hinzuzuverdienen, sagt Wingertszahn. «Aber weil sie das möchten und nicht, weil sie das finanziell brauchen.» Das Rentenniveau müsse stabilisiert werden – «schon jetzt schaffen es viele nicht, bis zum Renteneintrittsalter zu arbeiten».

dpa

Bild: Behörden seien teils noch in einem Tempo, das einfach nicht mehr in die Zeit passt, sagt Schmitt. | Helmut Fricke/dpa

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Datum: 05.08.2025
Rubrik: Lokales
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