
Die Mainzer Babyklappe ist zu
Weil es den Marienschwestern in Mainz an Nachwuchs fehlt, gibt es die Babyklappe in der Altstadt nicht mehr. Solche Klappen sind umstritten, werden aber genutzt – auch nach einer Gesetzesänderung.
Mainz (dpa/lrs) -
Nach rund 23 Jahren ist die Babyklappe des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in der Mainzer Altstadt Ende September geschlossen worden. Das rückt ein oft verschwiegenes Thema in den Fokus und veranlasst die rheinland-pfälzische Familienministerin Katharina Binz zu einem Appell: «Das Ende der Babyklappe in Mainz zeigt deutlich, wie wichtig es ist, Schwangere in Notlagen besser zu unterstützen», sagt die Grünen-Politikerin.
Babyklappen könnten nur als letztes Mittel verstanden werden und böten Frauen in extremen Ausnahmesituationen eine Schutzmöglichkeit, sagt Binz. Sie erkenne das Engagement der Einrichtungen, die solche Angebote bereitstellen ausdrücklich an. «Gleichzeitig dürfen die rechtlichen und sozialen Herausforderungen, die anonyme Abgaben mit sich bringen, nicht unterschätzt werden», so die Ministerin.
Zehn Kinder seit 2002 in der Mainzer Babyklappe
Die Marienschwestern Mainz hatten das Angebot der Babyklappe in der Landeshauptstadt seit 2002 begleitet. Nach Angaben des SkF können sie dies künftig nicht mehr tun. «Unser Alter und das Fehlen jüngerer Mitschwestern, die diese Aufgabe fortführen könnten, waren Gründe für diese Entscheidung, die uns schwergefallen ist», werden Schwester Devota Lanius und Schwester Donata Bieger in einer Mitteilung zitiert. «Als Träger der Babyklappe bedauern wir diese kurzfristige Schließung außerordentlich», sagte die SkF-Vorstandsvorsitzende Hildegard Eckert.
Nach mehr als 20 Jahren gibt es die Babyklappe in der Mainzer Altstadt nicht mehr. | Helmut Fricke/dpa
Seit Bestehen seien dort zehn Kinder anonym abgegeben worden. Selbst nach der Einführung der gesetzlichen Regelung zur vertraulichen Geburt 2014 seien es noch vier Neugeborene gewesen. Offenbar biete die Möglichkeit der vertraulichen Geburt nicht für alle Mütter eine erreichbare oder akzeptierte Alternative, heißt es vom SkF in Mainz. Der Verband hoffe, an anderer Stelle wieder eine Babyklappe anbieten zu können.
Beratungen von zentraler Bedeutung
Vorstandsvorsitzende Eckert zufolge gab es einen standardisierten Ablaufplan, wenn ein Baby abgelegt wurde: Eine Sensormatte im und vor dem Babybett der Klappe gab ein Signal. Frühestens fünf Minuten danach habe sich eine Schwester zu dem Baby begeben und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) verständigt. Ein Rettungswagen habe dann das Kind für eine medizinische Grundversorgung in die Mainzer Universitätsmedizin gebracht.
Das Jugendamt sei verständigt worden, die Obhutnahmestelle habe das Kind zunächst in eine Pflegefamilie vermittelt. Nach einem Jahr sei für Familien ein Antrag auf Adoption des Kindes möglich gewesen. «Weitere konkrete Angaben zu Einzelfällen können allerdings nicht gemacht werden, denn dies würde dem Sinn und Zweck der Babyklappe widersprechen», betont Eckert.
Babyfenster auch in Koblenz
Auch in Koblenz gibt es seit 2003 ein sogenanntes Babyfenster an der Kinderklinik Kemperhof. Konkrete Zahlen zu Kindern nennt das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein nicht, das dort mit der Stadt Koblenz und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Koblenz kooperiert.
Claudia Iland vom SkF Koblenz sagt, es müssten stets alternative Hilfsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Wichtig sei auch die Nachbegleitung der aufnehmenden Familien und der in dieser Form abgegebenen adoptierten jungen Menschen zu beachten.
Gesetz seit 2014 in Kraft
Doch was hat es mit dem im Mai 2014 in Kraft getretenen Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt auf sich? Das Gesetz bietet Frauen, die ihre Schwangerschaft geheim halten wollen, die Möglichkeit, ohne Namensnennung medizinisch versorgt zu werden. Wenn eine Schwangere vertraulich entbinden möchte, kann sie einen Vor- und Nachnamen oder ein Pseudonym für das Verfahren sowie einen oder mehrere Namen für das Kind wählen.
Die beteiligte Beratungsstelle hat demnach einen Nachweis für die Herkunft des Kindes zu erstellen und meldet die Schwangere unter deren Pseudonym in einer Geburtshilfe-Einrichtung oder einer dazu berechtigten Person zur Entbindung an. Nach der Geburt bleiben die Mütter 16 Jahre lang anonym. Mit Vollendung des 16. Lebensjahres hat das Kind das Recht, den beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben verwahrten Herkunftsnachweis einzusehen oder Kopien zu verlangen.
Mit dem Gesetz sollte ein Interessenausgleich gelingen zwischen Müttern mit Anonymitätsbedürfnis und dem Recht der Kinder auf Informationen zu ihrer Herkunft.
77 vom Land geförderte Beratungsstellen in Rheinland-Pfalz
Nach Angaben des Frauenministeriums gibt es für Schwangere 77 Beratungsstellen, die vom Land Rheinland-Pfalz jährlich mit mehr als sechs Millionen Euro gefördert werden. Hinter diesen Stellen stehen demnach sieben Träger mit insgesamt rund 111 Personalstellen in der Beratung. Von diesen Stellen wurden laut Ministerium 2023 fünf Fälle gemeldet, die nach entsprechender Beratung und Begleitung in eine vertrauliche Geburt mündeten.
Binz: Angebot der vertraulichen Geburt weiter stärken
Die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt besteht beispielsweise seit 2015 in den Diakonie Kliniken Bad Kreuznach. Das Angebot werde von ein bis zwei Frauen pro Jahr genutzt, heißt es von dort. Die Frauen wüssten es sehr zu schätzen, dass sie ganz «wertfrei» aufgenommen würden und ihr Kind eine sehr gute medizinische Versorgung erhalte.
Binz: «Unser Ziel ist es, Frauen in Krisensituationen nicht allein zu lassen und bedarfsgerechte Angebote auszubauen, damit Babyklappen nur in Ausnahmefällen genutzt werden müssen.» (Archivbild) | Helmut Fricke/dpa
Ministerin Binz sagt, es sei sehr wichtig, das Angebot der vertraulichen Geburt weiter zu stärken. Es brauche ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Hilfenetz für Schwangere. «Unser Ziel ist es, Frauen in Krisensituationen nicht allein zu lassen und bedarfsgerechte Angebote auszubauen, damit Babyklappen nur in Ausnahmefällen genutzt werden müssen.»
dpa
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