Gift-Anlaufstelle unter Stress

 

Gift-Anlaufstelle unter Stress

Das Giftinformationszentrum ist Anlaufstelle für Menschen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland - für Privatpersonen und Unternehmen. Was es alles so macht und wie es in Notfällen helfen kann.

Mainz (dpa) -

Ob von einem Kleinkind verschlucktes Reinigungsmittel, Pilzvergiftung, Suizidversuch mit Medikamenten oder ausgelaufene Batterie-Knopfzellen in Spielzeug: Das Giftinformationszentrum (GIZ) in Mainz beschäftigt sich mit einem breiten Spektrum an tatsächlichen oder möglichen Gift-Notlagen bei Menschen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland - rund um die Uhr. 

Ein Fazit zum 60-jährigen Bestehen der Einrichtung zeigt: Die Zahl der telefonischen Anfragen beim GIZ ist über die Jahre deutlich gestiegen. Vor allem Privatpersonen suchen deutlich häufiger Rat als in früheren Jahren, wie Leiter Andreas Stürer bei einer Fachtagung in Mainz sagte. 

Knapp 54.000 Anrufe im vergangenen Jahr

2024 habe das Mainzer GIZ insgesamt knapp 54.000 Anrufe verzeichnet. Von den Ratsuchenden seien ungefähr 30 Prozent auf Krankenhäuser oder Rettungsdienste entfallen, also medizinisches Fachpersonal, der große Rest der Anrufe kam aus der Bevölkerung. 

Beratung und Hilfe bietet das GIZ an der Mainzer Universitätsmedizin rund um die Uhr bei Vergiftungen im beruflichen Umfeld, in Kliniken, in Arztpraxen, bei Rettungsdiensten oder eben in Privathaushalten. «85 Prozent der Kinder lassen wir zu Hause», sagte Stürer mit Blick auf Anrufe besorgter Eltern. In den meisten Fällen könne schnell beruhigt werden, dann genüge das Trinken eines Glases Wasser. 

Datenbank mit Rezepturen lässt schnell helfen

Dass das GIZ in Fällen, in denen bekannt ist, welches Mittel ein Kind geschluckt hat, recht schnell beraten und das weitere Vorgehen besprochen werden kann, liegt daran, dass das Zentrum auf eine komplexe Datenbank zurückgreifen kann - mit Rezepturen von Wasch- über Reinigungsmittel bis hin zu Lampenölen. Es kann also schnell eingesehen werden, ob ein Mittel laugen- oder säurehaltig und wie gefährlich oder ungefährlich es ist. Beschäftigen müssen sich das Mainzer und sechs weitere solcher Zentren in Deutschland auch mit neuen Entwicklungen, zum Beispiel mit Drogentrends wie bei Lachgas. 

Der Konsum von in Kartuschen verpacktem Lachgas hat in den vergangenen Jahren mehrfach für Schlagzeilen gesorgt, auch drastische Fälle mit schweren gesundheitlichen Folgen gab es. (Archivbild)

Der Konsum von in Kartuschen verpacktem Lachgas hat in den vergangenen Jahren mehrfach für Schlagzeilen gesorgt, auch drastische Fälle mit schweren gesundheitlichen Folgen gab es. (Archivbild) | Teresa Dapp/dpa

Im GIZ arbeiten Ärztinnen und Ärzte, Apotheker, Biologen, Chemiker und Pflegekräfte. Alle auflaufenden Fälle werden dokumentiert, so wird quasi mit jedem Fall mehr Wissen geschaffen. Zusammengekommen sind in dieser Fallsammlung inzwischen mehr als 800.000 ausführliche toxikologische Falldokumentationen. Gemeldet werden Fälle künftig auch an das bundesweite Vergiftungsregister, das derzeit vom Bundesamt für Risikobewertung aufgebaut wird. 

Vergiftungsfälle können auch Produkte verändern

Zugriff auf Informationen des GIZ wird interessierten Unternehmen gewährt, die daraus Schlussfolgerungen für eigene Produkte ziehen können - sei es eine Entscheidung für einen Verschluss, den Kinder nicht aufbekommen, für anders gestaltete Flaschen, für eine geänderte Rezeptur oder neu formulierte Produktinformationen. 

Der Blick in die Geschichte des für insgesamt knapp 11,5 Millionen Menschen in Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland zuständigen GIZ in Mainz zeigt etwa, dass die Zahl schwerer Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel oder Medikamente tendenziell über die Jahrzehnte zurückgegangen ist. Als das Zentrum in Mainz gegründet worden sei, seien Medizinerinnen und Mediziner noch mit einer steigenden Zahl zum Teil schwerer Vergiftungsfälle durch damals noch deutlich toxischere Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel konfrontiert gewesen, erklärte Stürer. 

Auch die Sensibilisierung von medizinischem Personal ist eine wichtige Aufgabe des GIZ, sagt der Chef der Mainzer Unimedizin, Ralf Kiesslich. (Archivbild)

Auch die Sensibilisierung von medizinischem Personal ist eine wichtige Aufgabe des GIZ, sagt der Chef der Mainzer Unimedizin, Ralf Kiesslich. (Archivbild) | Lando Hass/dpa

«Ein Anruf, der Leben rettet»

Das GIZ kooperiert eng mit der Intensivstation des Zentrums für Kardiologie an der Mainzer Universitätsmedizin - der einzigen Universitätsklinik von Rheinland-Pfalz. Die Gift-Experten begleiten Therapien von Patientinnen und Patienten mit schweren Vergiftungen und sind an dem Krankenhaus Teil der Lehre und Ausbildung.

«Dadurch sind die Behandlungsteams von morgen für solche Fälle sensibilisiert und wissen, dass sie sich im Ernstfall an ein Giftinformationszentrum wenden können», sagte der Vorstandsvorsitzende der Unimedizin, Ralf Kiesslich. «Ein Anruf, der Leben rettet.»

dpa

Bild: Mal werden Informationen zu Batterie-Knopfzellen benötigt, mal zu Inhaltsstoffen von verschlucktem Reinigungsmittel. (Archivbild) | Arne Dedert/dpa

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Datum: 21.11.2025
Rubrik: Lokales
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