
«Mahlzeit!» - Rheinland-Pfalz und seine Kantinen
Was die Speisekarten von Unternehmen über den kulinarischen Zeitgeist aussagen.
Mainz (dpa/lrs) -
Von Ludwigshafen bis Gerolstein, von Koblenz bis Wörth: Längst ist die Betriebsgastronomie mehr als ein Ort der Sättigung. Sie ist Ausdruck unternehmerischer Verantwortung, ein Gradmesser für den kulinarischen Zeitgeist – und zunehmend ein Faktor in der Klimabilanz.
Bei BASF in Ludwigshafen zum Beispiel gleicht die Kantinenlandschaft einer Kleinstadt: Zehn Betriebsgaststätten, Platz für 3.400 Menschen, täglich rund 7.500 ausgegebene Mahlzeiten. Im Sommer kommen 600 Terrassenplätze hinzu. Gekocht wird frisch, neben klassischen Fleischgerichten stehen vegane und vegetarische Alternativen auf dem Menü, wie der größte Arbeitgeber im Bundesland mitteilt. Die Zutaten stammen, soweit möglich, aus der Region.
Weniger Fleisch, mehr Haltung
Spitzenreiter ist ein Traditionsgericht: Spaghetti Bolognese mit Rinderhack und geriebenem Käse (4,50 Euro). Auf Platz zwei: der Freitags-Fisch – paniertes Seelachsfilet mit Kartoffelsalat. Der Chemiekonzern misst nicht nur die Zahl der Mahlzeiten, sondern auch deren CO2-Fußabdruck, wie eine Sprecherin sagt: Seit 2020 konnten die Emissionen pro Teller um 20 Prozent reduziert werden. Möglich wird dies auch durch den Trend zu fleischfreien Gerichten. Für die Mitnahme des Essens habe man eine Alternative zu Einweggeschirr eingeführt.
Auch bei Daimler Truck in Wörth spiegelt die Kantine mit 690 Sitzplätzen den Zeitgeist. Der «Big Benz Burger» ist ein Verkaufsschlager – bis zu 700 Portionen täglich werden ausgegeben, wie das Unternehmen mitteilt. Daneben zählen Geflügel-Gyros mit Zaziki sowie Pommes zu den Favoriten. Gleichwohl steigt die Nachfrage nach vegetarischen Alternativen, etwa asiatische Gemüse-Currys mit Naan-Brot.
Schnitzel-Donnerstag und Freitags-Fisch
Ergänzt wird das Angebot täglich durch mindestens ein vegetarisches Menü sowie ein vielfältiges Salat- und Gemüsebuffet. Gekocht wird im großen Stil: 1.200 Hauptgerichte mittags, weitere 350 abends. Das Angebot werde stetig weiterentwickelt, unter anderem in Bezug auf Kundenwünsche, hieß es.
Bei Gerolsteiner Brunnen liegt die Betriebsgastronomie in eigener Hand: Das Restaurant mit 160 Sitzplätzen wird vom Unternehmen selbst betrieben. Auf dem Speiseplan stehen täglich ein vegetarisches und zwei Fleischgerichte sowie ein Salatbuffet. «Besonders beliebt ist Currywurst mit Pommes, dicht gefolgt vom donnerstags servierten Schnitzel», sagt Simon Jardin, Koordinator Betriebsrestaurant Gerolsteiner Brunnen.
Die Öffnungszeiten sind großzügig bemessen: von 6.00 bis 20.30 Uhr. «Für die Zubereitung verwenden wir, wo immer möglich, regionale Zutaten», betont Jardin. «Wir servieren täglich etwa 250 bis 300 Hauptgerichte. Hinzu kommen belegte Brötchen, süße Teilchen, Snacks und Eis.» Die Getränke sind in dem Getränkeunternehmen kostenlos.
Spaghetti Bolognese gehört vielerorts mit zu den Favoriten. (Symbolbild) | Wolf von Dewitz/dpa
Auch bei Debeka in Koblenz ist der Wandel spürbar. Die Versicherungsgruppe beobachtet ein verändertes Essverhalten – weniger Fleisch, mehr vegetarische und internationale Gerichte. Ein neues Konzept mit vier Themenstationen ist die Antwort: Gesund & Fit (vegetarisch/vegan), Heimatküche (regional), Pizza & Pasta (mediterran) und Weltküche. Rund 589 Essen am Tag gehen raus.
KSB liebt SchniPoSa
Die Preise sind moderat, wie Debeka mitteilt: Farfalle mit Tomaten-Frischkäse-Sauce kosten 4,40 Euro, mit Hähnchenbeilage 2,65 Euro zusätzlich. «Im Betriebsrestaurant haben wir aktuell 324 Sitzplätze. In der Cafeteria 132, davon 48 im Raucherbereich. Im Außenbereich kommen wir auf 90 Sitzplätze.» Zu den beliebtesten Gerichten gehören Currywurst, Schnitzel und Pizza.
Bei der Pumpenfirma KSB in Frankenthal zeigt sich ein ähnliches Bild. Sehr gefragt: Schnitzel mit Pommes und Salat – kurz: SchniPoSa. Auch Brat- und Currywurst gehören zu den Favoriten. «Wenn die Favoriten angeboten werden, weiß der Küchenchef: 70 Prozent der Esser wählen SchniPoSa oder eben die Wurst, 30 Prozent wählen ein anderes Essen», erzählt eine Sprecherin.
Gleichzeitig steige die Nachfrage nach fleischlosen und leichten Gerichten. Platz ist ausreichend vorhanden: Die Kantine bietet 450 Sitzplätze, ein Rindergulasch mit Spätzle kostet 4,50 Euro. KSB investiert aktuell rund zehn Millionen Euro in die Modernisierung seines Betriebsrestaurants in Frankenthal.
Was sagt ein Sternekoch dazu?
Die Tour d'Horizon zeigt: Kantinen werden immer mehr zu Orten, an denen nicht nur gegessen, sondern auch ein Stück Zukunft mitgestaltet wird. Wie nimmt ein Experte wie der in Mainz geborene Küchenchef Tristan Brandt das wahr? «Als Deutschlands einst jüngster Zwei-Sterne-Koch sehe ich die Betriebsgastronomie als Spiegelbild einer Gesellschaft», sagt der 40-Jährige. «Hier entscheiden Geschmack, Qualität und Verantwortung jeden Tag neu.»
Gutes Essen für Mitarbeitende sei kein Luxus, sondern Grundlage für Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Motivation. «Qualität muss auch in einer Kantine erreichbar sein», betont der Spitzenkoch, der 2017 für seine Arbeit im Mannheimer «OPUS V» im Guide Michelin mit zwei Sternen geführt worden war.
«Mit nachhaltigen Einkaufswegen, sorgfältiger Speisenauswahl und Zubereitung», sagt Brandt, «beweisen die meisten Betriebe, dass gutes, ehrliches Essen auch unter Budgetbedingungen gelingt.»
dpa
Bild: Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) nannte Currywurst mit Pommes einst einen der «Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters in der Produktion». (Symbolbild) | Fabian Sommer/dpa
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