
Wenn der Gerichtsvollzieher klingelt
Wegen Mietschulden suchen immer mehr Menschen Unterstützung bei den Schuldnerberatungen. Helfen kann auch der Mieterbund.
Mainz (dpa/lrs) -
Häufen sich Mietschulden an, können die Folgen massiv und existenziell werden: Die Zwangsräumung droht. In 1.168 Fällen rückte der Gerichtsvollzieher im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz an, um die Räumung einer Wohnung durchzusetzen. Das bedeutet wie auch im Jahr zuvor eine Zunahme der Zahlen. Woran liegt das?
Mietschulden gelten als die häufigste Ursache für den Wohnungsverlust. Auslöser für Mietrückstände sind nach Einschätzung von Experten häufig auch Verzögerungen der Ämter bei Sozialleistungen wie Wohngeld und Kosten der Unterkunft. So könnten schnell zwei Monatsmieten Zahlungsrückstand entstehen. Das kann nach dem Mietrecht ein Kündigungsgrund sein.
Bei den 62 anerkannten und 55 geförderten Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in den Landkreisen und kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz spielen existenzbedrohende Verbindlichkeiten wie Mietrückstände im Beratungsalltag immer häufiger eine Rolle. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bietet etwa in Alzey neben der Schuldnerberatung extra auch eine Beratungsstelle für von Wohnungsraumverlust bedrohte Menschen an.
Wegen Mietschulden gibt es steigenden Bedarf nach Unterstützung bei den Schuldnerberatungen. (Symbolbild) | Swen Pförtner/dpa
Um welche Geldbeträge es sich als Auslöser für diese Zwangsräumungen durchschnittlich handelt, kann der rheinland-pfälzische Mieterbund nicht beziffern. Auch sei es unterschiedlich, ob es sich bis zur Entscheidung für eine Räumung der Wohnung dann um einen längeren oder kürzeren Prozess handelt, erklärt der Landesvorsitzende Franz Obst.
Sollte es sich jedoch um eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzuges handeln, dürfte der Prozess im Allgemeinen nicht besonders lange dauern, berichtet Obst. Anders verhält es sich, wenn sich die Räumungsklage auf Eigenbedarf gestützt hat. Dann müsse gegebenenfalls noch ein Beweis für das Vorgehen erhoben werden.
Zwangsräumung in rund 1.000 Fällen abgewendet
2.221 Zwangsräumungen wurden nach Angaben des Justizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Fraktion im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz beantragt. In mehr als 1.000 Fällen sei es jedoch nicht dazu gekommen.
Mit einem Räumungsschutzantrag gebe es die Möglichkeit, eine anberaumte Räumung zu verhindern, berichtet der Mieterbund. Dabei müsse aber vorgetragen werden, dass in Kürze ohnehin Ersatzwohnraum zur Verfügung steht, der bezogen werden kann.
Der Vermieter kann versuchen, bevor er einen Räumungsprozess anstrengt, sich mit dem Mieter auf einen Räumungsvergleich zu einigen. Falls dennoch ein Räumungsrechtsstreit geführt werden muss, könne darüber eine rasche gerichtliche Entscheidung gesichert werden, teilte der Landesvorsitzende des Mieterbunds mit.
Miete großes Thema bei Schuldnerberatungen
Die Wege, die in die Überschuldung führen, sind vielfältig. Arbeitslosigkeit, Trennung, Krankheit, Unfall und gescheiterte Selbstständigkeit sind nach Einschätzung der Expertinnen und Experten der Schuldnerberatungen die häufigsten Ursachen. Das Risiko der Überschuldung sei damit zum konkreten Risiko für breite Bevölkerungsschichten geworden.
Der Mieterbund unterstützt, um eine anberaumte Zwangsräumung zu verhindern. (Symbolbild) | Swen Pförtner/dpa
Die Bandbreite, ab welcher Höhe der Schulden sich die Menschen allein nicht mehr helfen können, ist extrem groß. Im Durchschnitt gehe es um einen Wert von 45.000 Euro, berichtet die Schuldnerberatung des Deutschen Roten Kreuz in Rheinland-Pfalz. Die Spanne bei den Beratungen reiche von rund 1.000 Euro bis zu etwa 400.000 Euro.
Fachberatungsstellen zur Wohnraumsicherung
Die Zahl der Beratungsfälle steigt nach Angaben des Sozialministeriums kontinuierlich an. Auf mehr als 23.700 ging der Wert im vergangenen Jahr nach oben. 2022 lag die Zahl noch bei rund 21.600 Beratungsfällen. Dabei mussten die Beratungsstellen verstärkt bei Energie- und Mietschulden, bei der Pfändung von Staatshilfen oder bei der Budgetberatung unterstützen.
Das Sozialministerium unterstützt gemeinsam mit den Kommunen insgesamt acht Fachberatungsstellen zur Wohnraumsicherung. Dafür werden Fördermittel von bis zu 48.750 Euro jährlich je Stelle bereitgestellt. Die Fachberatungsstellen verfolgen einen präventiven Ansatz, um zu vermeiden, dass Menschen von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit betroffen werden. Dabei geht es vor allem um die Kontaktaufnahme zu Vermietern und Behörden.
dpa
Bild: Die Zahl der Zwangsräumungen steigt in Rheinland-Pfalz. (Archivbild) | Angelika Warmuth/dpa
Alle Meldungen, aktuell und regional aus Koblenz und dem Mittelrhein-Gebiet auf tv-mittelrhein.de