
Warum gibt es viele Ausfälle und Verspätungen bei S-Bahnen?
Pendlerfrust in Rhein-Main: «Der Zustand der Infrastruktur ist nicht gut», sagt der S-Bahn-Chef. Das sei ein Grund, warum viele Bahnen ausfallen oder zu spät sind. Wird es 2026 besser?
Frankfurt/Main (dpa) -
Pendler und Pendlerinnen müssen sich auch im kommenden Jahr wegen großer Baustellen im Rhein-Main-Gebiet auf Einschränkungen einstellen. Das hat der neue S-Bahn-Chef der Deutschen Bahn in der Region, Hendrik Penner, im Interview der Deutschen Presse-Agentur angekündigt. «Das Bauvolumen bleibt weiter hoch», sagt Penner.
Wer Pendlerinnen und Pendler an den Bahnsteigen der S-Bahnen im Frankfurter Hauptbahnhof befragt, hört vor allem Klagen: über fehlende Informationen bei Ausfällen oder mangelnde Zuverlässigkeit auf dem Weg zur Arbeit.

Pendlerin Nicole Hutter fährt regelmäßig mit der S-Bahn zur Arbeit. | Michael Brandt/dpa
Pendlerin braucht drei Stunden pro Strecke
Pendlerin Nicole Hutter wartet auf einer Bank – in ihre Winterjacke eingemummelt und mit ihrem Rucksack auf dem Schoß. «Ich pendele von Mainz nach Frankfurt und ich brauche zum Teil manchmal drei Stunden in eine Richtung, wenn ich Pech habe. Es ist auch echt traurig, wenn man dann abends noch spät arbeitet und dann hier sitzt.»
Meistens könne sie abends nicht mehr viel unternehmen. Sie fahre früh los, weil die ersten S-Bahnen noch recht pünktlich seien – aber zurück sei es dann ganz schlimm, sagt die Pendlerin.
Was ist der Grund für die S-Bahn-Probleme?
«Baustellen sind für mehr als die Hälfte (55 Prozent) der ausgefallenen S-Bahnen verantwortlich. Bauarbeiten waren in diesem Jahr – neben kurzfristigen Störungen im Schienennetz und Problemen bei der Besetzung von Stellwerken – die größte Schwierigkeit für den S-Bahn-Betrieb», sagt S-Bahn-Chef Penner.
Auch 2026 werde es weitere große Baumaßnahmen geben. «Insbesondere die Bauarbeiten rund um Mainz inklusive der geplanten Weichenerneuerungen werden im 1. Quartal den S-Bahn-Fahrgästen einiges abverlangen.»
Damit der Betrieb besser laufe, vor allem bei Baustellen, gebe es bahn-intern einen so intensiven Dialog, wie er ihn seit knapp drei Jahrzehnten Tätigkeit im Konzern nicht erlebt habe, sagt Penner.

Die Linie S8 ist laut Bahn von Verspätungen aus dem Regional-, Fern- und Güterverkehr besonders stark betroffen. (Archivbild) | Sebastian Gollnow/dpa
Ist die Infrastruktur zu marode oder überlastet?
«Der Zustand der Infrastruktur ist nicht gut», sagt der 57-Jährige. «Es muss gebaut und es muss modernisiert werden. Die Frage ist, welches Bauvolumen für den laufenden Bahnbetrieb verkraftbar ist und wie stabil die Baustellen-Fahrpläne von der InfraGO gestaltet werden.»
Nach mehreren Stationen im Bahnkonzern hat Hendrik Penner vor rund fünf Monaten die Geschäftsleitung der S-Bahn Rhein-Main übernommen, die die Bahnen in der Region im Auftrag des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) betreibt. Und im Rhein-Main-Gebiet gibt es eine Besonderheit:
Der Anteil der Gleise, die sich die S-Bahnen mit dem übrigen Zugverkehr teilen müssen, sei nirgendwo in Deutschland so hoch wie hier, erläutert Penner. Das treffe für rund die Hälfte des Streckennetzes zu. Daher sei die Pünktlichkeit besonders stark von derer der anderen Züge abhängig. Die Linie S8 ist laut Bahn am stärksten betroffen – ebenso S9, S1, S2 und in Teilen auch die S7.
Personen im Gleis – ein weiterer Grund für Verzögerungen?
Im Jahr 2025 habe es zudem allein rund 40.000 Verspätungsminuten wegen Personen im Gleis gegeben. Das entspreche rund vier Prozent der jährlichen Verspätungen, erklärt Penner.
Menschen würden beispielsweise als Abkürzung die Gleise überqueren oder sich im Tunnel aufhalten. Das sei lebensgefährlich und bei Unfällen traumatisierend für Lokführer. «In Abstimmung mit der Politik und der DB InfraGO möchte ich daran arbeiten, dass sich Menschen nur auf den Bahnsteigen und in öffentlich zugänglichen Bereichen aufhalten, beispielsweise durch zusätzliche Absperrungen.»
An besonders kritischen Punkten im Schienennetz könnten auch zusätzliche Zäune helfen. «Hier will ich auch von anderen Regionen wie beispielsweise München lernen.»

S-Bahn-Chef Penner will erreichen, dass weniger Menschen Gleise überqueren oder sich in Tunneln aufhalten. (Archivbild) | Arne Dedert/dpa
Gibt es genügend Lokführer und fahrbereite Züge?
«Pünktlichkeit ist bei mir Chefsache», sagt Penner. Die Stellschrauben, die er bei der S-Bahn beeinflussen könne, seien Lokführer und genügend Personal in der Werkstatt. «Beides wird 2026 der Fall sein.»
Lokführer seien geschult worden, um bei Störungen während der Fahrt selbst schneller reagieren zu können, damit keine Staus entstehen. Auch die Fahrzeugflotte solle bis 2029 modernisiert werden. Das erhöhe deren Zuverlässigkeit.
Bahnpendlerin Nicole Hutter hat bereits überlegt, in Zukunft das Auto zu nehmen. Damit wäre sie früher zu Hause, wenn Züge ausfallen oder sich verspäten. «Aktuell bin ich noch wegen des Deutschland-Tickets bei der S-Bahn, weil es noch günstiger ist.» Es müsse sich dringend etwas ändern, sagt sie.
Welchen Rat hat der S-Bahn-Chef für Pendler?
Mit Blick auf die bevorstehenden Baustellen räumt S-Bahn-Chef Penner ein: «Unsere Fahrgäste werden 2026 leider nicht auf jeder S-Bahn-Linie ohne Einschränkung fahren können.» Bei Sperrungen werde Schienenersatzverkehr mit Bussen angeboten. Die Anschlüsse seien abgestimmt. «Individuell hilft vielleicht auch ein anderer Mix aus Verkehrsmitteln wie U-Bahn oder Straßenbahn, um ans Ziel zu kommen.»
dpa
Bild: S-Bahn-Chef Hendrik Penner sieht brennende Themen, wenn es um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Bahnverkehr geht. | Michael Brandt/dpa
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